Das Wendland und die Geographie
Drei Wochen habe ich im Gorleben Archiv gearbeitet, um für meine Promotion zur Anti-AKW Bewegung im Wendland Materialien zu sammeln und Interviews zu führen. Meine Promotion schreibe ich im Fachbereich Geographie an der Universität von Glasgow.
In diesen drei Wochen kam immer wieder die Frage auf: „Und was hat das jetzt mit Geographie zu tun?“. Mit dem Begriff Geographie verbinden die Meisten Erinnerungen an den Erdkunde Unterricht in der Schule. Dabei geht es um Kartographie, Küsten- und Vulkanformation, das Auswendiglernen von Ländern und den dazugehörigen Hauptstädten. Die moderne Geographie, wie ich sie durch mein Studium an der Universität von Glasgow kennengelernt habe, ist eine Andere. Im Fachgebiet der politisch-historischen Human Geographie treffen Politik- und Sozialwissenschaft sowie Philosophie und Anthropologie aufeinander. In der Geographie gilt das Prinzip, dass alles irgendwo passiert und dass das „wo“ durchaus von Bedeutung ist. Das versteht man (im weitesten Sinne) unter Geographie.
Ich habe mich schon immer für Umwelt und Energiepolitik interessiert. Das konkrete Interesse an der Anti-Atomkraft Bewegung im Wendland habe ich einem Seminarbesuch in Meuchefitz zu verdanken. Schon 2015 habe ich im Gorleben Archiv für meine Bachelorarbeit Materialien gesammelt und mit Zeitzeugen gesprochen. Im Rahmen meiner Promotion möchte ich mich nun weiter mit dem Thema der Bewegung auseinandersetzen.
Besonders interessiert mich, wie sich die Region seit der Standortbenennung verändert hat. Einerseits bezieht sich das auf die materiellen und infrastrukturellen Veränderungen um Wendland. Dazu gehören beispielsweise der Bau der „Kartoffelscheune“, der Erkundungsschacht sowie das 33-tägige Hüttendorf 1004. Anderseits bin ich auch daran interessiert wie Räume für alternative Lebensweisen, erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft geschaffen wurden. Teil meiner Betrachtung sind auch die persönlichen Lebensläufe und Motivationen einzelner Personen, die die Region geprägt haben. Dabei geht es mir auch darum, wie sich verschiede Räume und das politische Engagement auf mehreren Ebenen entwickelt haben.
Durch einen „Oral History“-Ansatz lege ich auch besonderen Wert darauf, die Geschichten und Erzählungen aus dem Wendland in meiner Arbeit aufzuarbeiten. Durch Gespräche mit Zeitzeugen und einer „Mapping Exercise“ können Geschichte und Geographie zusammenfinden. So entsteht ein ganzheitliches Bild der Region.
In den kommenden Monaten werde ich meine Arbeit im Archiv fortsetzen. Wenn Sie Fragen und Anmerkungen haben oder an dem Projekt teilnehmen möchten, können Sie sich gerne bei mir melden: v.noka.1@research.gla.ac.uk.
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