GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 1995

Tag X, Backpulver & Stay rude-stay rebel

Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion "ausrangiert" will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.

Januar

12.01.1995

Der Verzicht auf die Wiederaufarbeitung von Brennstäben und deren direkte Endlagerung würde für einen typischen Atomkraftwerks-Block von 1.000 Megawatt eine Kostenersparnis von jährlich 34 Millionen Mark erbringen, ergibt eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln, die am 12. Januar vorgestellt wird. Es gäbe allerdings Gründe, die endgültige Wahl zwischen beiden Entsorgungspfaden zunächst hinauszuschieben, um sich "Optionen offenzuhalten". Die Betreiberin der französischen Wiederaufarbeitungsanlage, Cogema, habe wegen der Diskussion über einen Umstieg auf direkte Endlagerung bereits Preisnachlässe angeboten: Derzeit koste die Aufarbeitung pro Kilo Uran etwa 2.400 D-Mark. Um mit der direkten Endlagerung konkurrieren zu können, dürfe sie nicht teurer als 200 D-Mark sein, was jedoch unrealistisch sei (Frankfurter Rundschau, 13.1.95). Ende Dezember 1994 hatten Atomkonzerne die ersten Anschlussverträge für die Wiederaufarbeitung von Brennstäben aus den AKW Krümmel und Gundremmingen mit der britischen Aufarbeitungsfirma BFNL in Sellafield gekündigt.
Quelle: Frankfurter Rundschau, 30.12.94

19.01.1995

Die Dannenberger Stadtratskoalition aus SPD, UWG und Grünen kündigt im Januar an, gegen die Castor-Transportgenehmigung und den Betrieb der Umladestation Widerspruch zu erheben.

Massive Kritik gibt es vom CDU-Bundestagsabgeordneten Kurt-Dieter Grill: Er wirft Bernard Fathmann im Zusammenhang mit der angekündigten Klage Instinktlosigkeit vor. Der SPD-Bürgermeister stehe mit seinem Vorgehen "in der unsäglichen Tradition der Lüchow-Dannenberger SPD, die Angst der Menschen zu schüren und für die eigenen politischen Ziele bedenkenlos zu instrumentieren". Gegenüber der EJZ erklärte Grill: "Fathmann spielt mit den Gefühlen der Menschen. Er steht damit auf einer Stufe mit Aktionen der extremen politischen Rechten, die Menschen aus durchsichtigen Motiven aufhetzen." Die SPD habe mit der Ankündigung des Widerspruchs die niedrigste Stufe der politischen Debatte erreicht und verlasse damit den Boden ernstzunehmender Demokraten, betont Kurt-Dieter Grill.

"Empörend", "absurd" und "ehrabschneidend": mit diesen Worten kritisiert die Grünen-Landtagsabgeordnete Rebecca Harms die Äußerungen Grills wenige Tage später.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 19.1.1995/24.1.1995

21.01.1995

"Ausrangiert": Mit einer "gewaltfreien Aktion", so steht es auf einem Flugblatt, sollen mindestens 300 Menschen "das Schienenende zum Castor-Kran mit einfachen handwerklichen Mitteln demontieren" — aus Protest gegen Atommüll-Transporte nach Gorleben. Die Aktion soll "an irgendeinem Sonntagvormittag" stattfinden. Die schriftliche Einladung ist von den "Castor-Gruppen aus dem Wendland", den "Unbeugsamen" und den "Gorleben-Frauen" unterzeichnet.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 21.1.1995

23.01.1995

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entscheidet am 23. Januar, daß der beabsichtigte Transport von abgebrannten Brennelementen aus dem AKW Philippsburg ins Zwischenlager Gorleben rechtens ist. Es hebt damit die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg auf, das am 21. November 1994 den Transport des "Castor"-Behälters mit den Brennelementen wegen Sicherheitsbedenken gestoppt hatte. Spontan versammeln sich vor dem Verladekran, auf dem Lüchower Marktplatz und vor dem Zwischenlager Gorleben mehrere 100 Menschen, um ihren Unmut gegen die Entscheidung kundzutun.
Quelle: Handelsblatt, 24.1.95

24.01.1995

"Verwunderung" ruft die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes bei der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) hervor: "Die Richter haben sich schlicht geweigert, die Unregelmäßigkeiten beim Beladen des Castors in Philippsburg näher zu prüfen." Noch "abenteuerlicher", moniert die BI, seien die Ausführungen des OVG zu der Frage, was denn mit einem defekten Castor-Behälter in Gorleben passieren soll, der dann wieder abtransportiert werden müßte.

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Wir sind nicht bereit, diese Frage als Restrisiko hinzunehmen." Die Atomkraftgegner werfen dem Gericht gar vor, es habe "oberflächlich gearbeitet" und sich inhaltlich auf die Seite des Bundesamtes für Strahlenschutz geschlagen. "Es negiert unser Interesse an einem Schutz vor Strahlen", so die BI.

Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 24.1.1995

24.01.1995

Das Stromunternehmen Energie-Versorgung Schwaben AG wird an dem umstrittenen Castor-Transport nach Gorleben festhalten. Dies teilt das Unternehmen in einer ersten Reaktion auf die Castor-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes mit. Der Transport solle nach dem grünen Licht durch das OVG "nicht auf die lange Bank" geschoben werden, so eine Schwaben-AG-Sprecherin.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 24.1.1995

24.01.1995

Nach Bekanntwerden des Urteils teilte die niedersächsische Landesregierung am 24. Januar mit, daß sie die Zustimmung zu dem "Castor"-Transport widerrufen werde. Die juristische Handhabe dafür finde sich in der Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts: Es habe die Klage gegen den "Castor"-Transport zwar abgewiesen, zugleich aber darauf aufmerksam gemacht, daß sich die KlägerInnen mit den von ihnen behaupteten Sicherheitsmängeln an die zuständige Landesbehörde wenden müßten.
Quelle: FAZ, 25.1.95

26.01.1995

Am 26. Januar verübten militante Atomkraftgegner*innen erneut einen Anschlag auf den Eisenbahnverkehr. Mit einem Wurfanker wurden Oberleitung der Strecke Hannover - Hamburg beschädigt und der Zugverkehr fünf Stunden lang weiträumig umgeleitet werden. Erneut übernimmt ein "K.Ollektiv Gorleben" die Verantwortung für den Anschlag und hinterlässt am Tatort in Bienenbüttel Flugblätter mit der Aufschrift "Stoppt Castor".
Quelle: Hannoversche Allgemeine, 27.1.95

Februar

Im Februar und März ziehen Unbekannte in zahlreichen Zügen der Deutschen Bahn die Notbremse und weisen die Fahrgäste mit Flugblättern auf den bevorstehenden Castor-Transport hin.

Bürgerinitiativen und kritische Wissenschaftler:innen vereinbaren die Gründung eines Netzwerks zur Erfassung und Beurteilung von Gesundheitsschäden in der Umgebung von Atomanlagen.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Im Februar und März werden in vielen Zügen der Bahn AG von Unbekannten die Notbremse gezogen. Fahrgäste werden durch Flugblätter auf den bevorstehenden Castor-Transport aufmerksam gemacht.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

07.02.1995

Er erwarte, "daß nach den vorangegangenen und hinlänglich bekannten Behinderungen nun die Arbeiten zur Fortsetzung der Salzstockerkundung zügig und ohne Hindernisse fortgesetzt und etwa im Jahre 2000 abgeschlossen werden können", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE), Dr. Hans Jürgen Krug, anläßlich eines Richtfestes auf dem Gelände des Gorlebener Erkundungsbergwerkes: dort ist der Dachstuhl eines neuen Bürogebäudes gerichtet worden. Seit dem Baubeginn am 14. September vergangenen Jahres sind rund 6 400 Kubikmeter umbauter Raum entstanden; für cirka 50 Arbeitsplätze in 32 Büroräumen und vier Labors werden über 1400 Quadratmeter Nutzfläche geschaffen. Die Erstellung des Hauses wird die Bauherrin voraussichtlich etwa 6 Millionen DM kosten. Die bisherigen Erd- und Maurerarbeiten seien weitestgehend von Lüchow-Dannenberger Firmen ausgeführt worden. Wie bereits in den achtziger Jahren können endlich wieder eine langfristige Sicherheit in den Planungen der DBE erreicht werden.

Nach der Stillstandszeit in Gorleben werde sich dort jetzt wieder die Normalität fortsetzen, so Henning Rösel, Vizepräsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Mehr und mehr zeichne sich die Eignung des Standortes Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll ab.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 9.2.1995

07.02.1995

Schon im Dezember reichte die BI im Zusammenhang mit den Demonstrationsverbote bei dem geplanten Castor-Transport nach Gorleben vorsorglich beim Verwaltungsgericht Lüneburg eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage gegen alle bisherigen Demo-Verbote ein.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 18.1.1995

10.02.1995

Laut des neuen Vorstandsvorsitzenden der RWE Energie, Roland Farnung, sei durch ein "fehlenden Kernenergie-Konsens" ein "Schaden" von 15,3 Milliarden Mark durch gescheiterte Atomenergieprojekte entstanden. Dazu gehören:

Schneller Brüter Kalkar (7,1 Milliarden), Hochtemperaturreaktor (HTR) Hamm-Uentrop (4,2 Milliarden), Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (3,2 Milliarden), HTR-Brennelementefabrik (200 Millionen), Brennelemente-Fabrik für Forschungsreaktoren Hanau (100 Millionen), Uranverarbeitung Hanau (500 Millionen).


Weitere Investitionen in Höhe von 11,3 Milliarden Mark seien "aus politischen Gründen gefährdet":

Mischoxid-Brennelemente-Fabrik Hanau (1,1 Milliarden), AKW Mülheim-Kärlich (7 Milliarden), Endlager-Projekt Gorleben (1,6 Milliarden), Endlager-Projekt Konrad (1,2 Milliarden), Pilotkonditionierungsanlage Gorleben (400 Millionen).


Quelle: Süddeutsche Zeitung, 10.2.95

10.02.1995

Am 10. Februar bekennen sich über 300 UnterzeichnerInnen öffentlich in einer Zeitungsanzeige zu zivilem Ungehorsam im Rahmen der Aktion "Ausrangiert".

11.02.1995

Mittels Luftballons fliegt am 11. Februar ein Castormodell in die Luft und der Zaun um den Verladekran wird mit Toilettenpapier eingehüllt.

15.02.1995

Am 15. Februar verpflichtet Bundesumweltministerin Angela Merkel das niedersächsische Umweltministerium per Weisung, die Einlagerung von Brennelementen aus dem Atomkraftwerk Philippsburg im Zwischenlager Gorleben zuzulassen. Binnen einer Woche soll Niedersachsen dem Castor-Transport zustimmen.

16.02.1995

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder und seine Umweltministerin Monika Griefahn verständigten sich am 16. Februar darauf, daß dem Land keine rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um gegen die Weisung, die mit Zustimmung des Bundeskabinetts erteilt wurde, vorzugehen. Ein Transporttermin bleibt unklar.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 16./17.2.95

20.02.1995

Am 20. Februar blockieren etwa 50 Atomkraftgegner*innen eine Kreuzung in Dannenberg.

März

01.03.1995

Der dritte Verhandlungstermin gegen die 14 Turmbesetzer*innen findet am 1. März vor dem Landgericht Lüneburg statt. Das Urteil im Schadensersatzprozess über mehr als 120.000 DM wegen einer Blockade des Bergwerks Gorleben wird für den 3. Mai angekündigt.

10.03.1995

Am 10. März erlässt der Landkreis Lüchow-Dannenberg eine "Allgemeinverfügung": Sie verbietet damit die für den folgenden Sonntag angekündigte Aktion "Ausrangiert".

Ausrangiert!

12.03.1995

Am 12. März beteiligen sich trotz "Allgemeinverfügung" 800 Menschen an der gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams "Ausrangiert". Öffentlich werden Bahnschwellen am Castor-Gleis in Dannenberg demontiert. Polizei und Bundesgrenzschutz sind massiv vertreten, können die Aktion aber nicht verhindern.

"Wir achten das Gesetz. Würden wir denn sonst solch ein Brimborium machen wie jetzt, wenn wir das Gesetz nicht achten würden?", so Jutta von dem Bussche aus Hitzacker auf der Kundgebung an den Gleisen zwischen Bahnhof Dannenberg-Ost und dem Castor-Verladekran.


Wenig später marschieren zwischen 800 und 1000 Männer, Frauen und Kinder mit Musik auf das Bahngelände in der festen Absicht, die Bahnstrecke zu demontieren. Nach knapp zwei Stunden auf den Schienen ziehen sie sich langsam zurück, es ist erreicht, was erreicht werden sollte: Das Gleisstück ist für einen Castor-Transport unpassierbar geworden. Die Polizei addiert am Ende u. a. fünf vollständig freigelegte Schwellen und vier entfernte Schwellen, viele gelockerte Schrauben. Die Schiene ist außerdem einmal fast durch- und achtmal angesägt. Zudem sind Eisenteile und Steine vom Gleisrand auf den Bahnkörper geworfen worden. Neun Personen werden vorübergehend fest- bzw. in Gewahrsam genommen.

Der "Tag Z" hatte am Morgen mit einer ersten Polizeiaktion begonnen, als etwa 100 Personen die Gleise betreten wollten, aber abgedrängt wurden. Danach füllte sich im Laufe des Vormittags der Platz an den Gleisen immer mehr, es gab ein Riesenfrühstücksbüfett, viel Musik, Spiele für Kinder, Lagerfeuer. In dem Gottesdienst vor einem aus Bahngleisen gebauten Kreuz mit einem Knoten sah Egon Maierhofer die Teilnehmer:innen von Gottes Courage ermutigt, "dieser Tag wird uns ein Stück weiterbringen in unserem Eintreten für die Schöpfung".

"Merkelnix" Backpulver-Vergleich

23.03.1995

Mehrere hundert Atomkraftgegner:innen protestieren am 23. März vor dem Zwischenlager und in Lüchow anlässlich des Besuches der Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) im Erkundungsbergwerk Gorleben. Bei diesem ersten Besuch im Wendland scheut Merkel die Öffentlichkeit. Sie fährt in den Salzstock ein, um sich ein Bild über die Erkundungsarbeiten für ein Atomendlager zu machen. Im Anschluss stellt sie sich den Journalisten und nimmt am Abend - unter massiven Polizeischutz - am CDU-Parteitag in Lüchow teil.

Rund 300 Atomkraftgegner:innen verspreen mit "Wackersteinen" - ein Vergleich zur gescheiterten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf - symbolisch den Weg zum Gildehaus. Merkel landet allerdings mit einem Hubschrauber an dem Schützenplatz.

Wenn es nach Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel (CDU) ginge, könnte der umstrittene Castor-Transport nach Gorleben "gerne vor dem Sommer" stattfinden. Im Gespräch mit Kommunalpolitikern wurde auch gefragt: Konnte es eventuell für hiesige Gemeinden direkt Strukturhilfen aus Bonn geben - sozusagen am Kreistag vorbei für entstandene Schäden im Zusammenhang mit Gorleben-Protesten? "Ihre Aktien stehen da schlecht", so Merkel.

Sie hatte gerade über die Probleme beim Beladen des ersten für Gorleben gedachten Castorbehälters in Philippsburg gesprochen, als Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag in Lüchow einen bemerkenswerten Vergleich nachschiebt: Es fielen die Worte "Kuchenbacken" und "Küche", und dass dabei schließlich auch "Backpulver" danebengehe. Jede Hausfrau wisse doch, dass beim Backen auch mal etwas Backpulver daneben gehe.

Den seit 1994 aufgekommenen Widerstand gegen die Atommülltransporte bezeichnet Merkel "unverständlich": Es werde geradezu so getan, "als wenn die Welt untergeht".

Merkel sagte außerdem Sätze wie "Gorleben spielt eine zentrale Rolle. Mit ihr ist die Zukunft der Kernenergie verbunden" oder mit Blick auf die Erderwärmung und auf die CO2-Emissionen, dass die Atomenergie in Deutschland "verantwortbar, ökologisch sauber und technisch hochstandardisiert" sei. Das Zwischenlager müsse endlich in Betrieb gehen, und die Pilotkonditionierungsanlage sei eine sinnvollee Sicherheitsanlage zum Zwischenlager, so Merkel. Auch gebe es im Erkundungsbergwerk für ein atomares Endlager "keinen Grund aufzuhören". Die bisherige Erkundung habe nämlich bisher keinen Hinweis geliefert, daß der Salzstock ungeeignet sei.

Im Wendland erhält Merkel nach diesem Auftritt den Beinamen "Merkelnix".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 25.03.1995, 19.11.2005

30.03.1995

Jährlich 50 Transporte mit hochradioaktivem Abfall nach Gorleben, das sei die absolute Obergrenze, so Dr. Heimlich vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf einem Frage-Antwort-Begegnung zwischen dem Dannenberger Samtgemeinderat und Fachleuten aus dem Problemfeld "Castor". "Das ist neu", kommentiert Wolfgang Neumann von der Gruppe Ökologie aus Hannover die Zahl 50, hatte er doch zuvor erklärt: 300 bis 400 Transporte pro Jahr seien denkbar.

Sofern viele Polizisten zu dessen Sicherung notwendig seien, müsse mit rund 5 Millionen DM Kosten pro Transport gerechnet werden, schätzt Referent Schmalz aus dem niedersächsischen Umweltministerium, der sich einen friedlichen Verlauf des Transportes wünscht. Auch Dr. Matting aus dem Bundesumweltministerium hat entsprechende Hoffnung: Anderswo liefen Atommüll-Transporte doch auch ohne Zwischenfälle — "warum soll die Sache in Lüchow-Dannenberg nicht auch ruhig betrachtet werden?"
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 4.4.1995

April

10.04.1995

Dass er im November 1994 das Clenzer Ortsschild mit dem Protestplakat "Gorleben ist überall, Tag X — wir stellen uns quer" überklebt hat, räumt ein 40jähriger Krankenpfleger vor Amtsgerichtsdirektor Peter Matull unumwunden ein und zahlt eine Geldbusse von 300 DM an den BUND. Matull: "Bei dieser Form handelt es sich durchaus um einen intelligenten Protest, bei dem die Sache an sich nicht zerstört wird."
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 12.4.1995

12.04.1995

"Castor am 25. April in Gorleben?" titelt die Elbe-Jeetzel-Zeitung und verweist auf Informationen aus Polizeikreisen. Der Castor-Transport aus dem AKW Philippsburg solle am 25. April Gorleben erreichen - also einen Tag vor dem neunten Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe und zeitgleich mit einer entscheidenden Runde der Energiekonsensgespräche in Bonn. Von offizieller Seite wird nach wie vor kein genauer Termin bestätigt.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 12.4.1995

13.04.1995

Am 13. April wird erneut ein Anschlag auf die Bahnstrecke Lüneburg - Dannenberg verübt. Aus den Schienensträngen werden jeweils etwa zwei Meter lange Stücke herausgeschnitten und zu einem X aufgerichtet. Ein außerplanmäßiger Güterzug überfährt die Stelle, entgleist aber nicht. Der Sachschaden beträgt 20.000 DM. Im ganzen Bundesgebiet kommt es im April zu Anschlägen und Sabotageaktionen auf Einrichtungen der Bahn.

15.04.1995

Bei einer Jux-Auction versteigert die Bürgerinitiative Umweltschutz am Gorlebener Erkundungsbergwerk für ein atomares Endlager die Fördertürme symbolisch: Der Standort Gorleben kippe ja bekanntlich; da könne man auch die Fördertürme meistbietend versteigern, so Auktionator "Mister X". Am Ende kommen die Gorleben-Türme für zusammen 5 213 DM unter den Hammer. Eine Kaffee- und Kuchentafel bringt noch einmal rund 900 DM ein. Gesammelt wird auf diese Weise für die Prozesskosten der Schachtbesetzer, von denen der Bund knapp 127 000 DM fordert.

16.04.1995

Etwa 1.500 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz verhindern am Ostersonntag, dass 400 Atomkraftgegner:innen auf die Schienen in der Nähe des Castor-Verladekrans in Dannenberg kommen. Eine erneute Schienen-Demontage wird verhindert. Es kommt zu Rangeleien. Am Tag zuvor wurde vom Landkreis wegen der angekündigten Aktion zivilen Ungehorsams "Abschalten" eine Allgemeinverfügung (Demoverbot) erlassen.

In der Nähe des Dannenberger Castor-Verladebahnhofs wird ein Holz-Kreuz als Mahnmal aufgebaut — ein Hinweis auf den "Tag X" des Castor-Transportes nach Gorleben.

Gegen 21 Uhr kommt es vor dem Gorlebener Zwischenlager zu Rangeleien mit der Polizei, die dort "hart durchgreift".

19.04.1995

Am 19. April werden bei einem erneuten Anschlag auf die Bahnstrecke zwischen Uelzen und Celle Leit- und Signalkabel zertrennt. Die Ermittler finden "Stopp Castor" Plakate.

20.04.1995

Im Anschluss an eine Anti-Castor-Demonstration gegen den Castor-Transport in Göttingen mit rund tausend Teilnehmer:innen besetzen AKW-Gegner:innen kurzfristig die Gleisanlagen. Die Polizei räumt, bei den anschließenden Auseinandersetzungen werden zwei Beamte und fünfzehn Demonstrant:innen verletzt. Unter einer Unterführung kesselt die Polizei 130 Menschen für mehrere Stunden ein und erklärt sie für festgenommen.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

21.04.1995

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärt am 21. April in einer Eilentscheidung den geplanten Atommülltransport aus dem Atomkraftwerk Philippsburg-2 in das Zwischenlager Gorleben für rechtens. Parallel dazu wird ein Demonstrationsverbot entlang und auf der Transportstrecke durch den Landkreis Lüchow-Dannenberg vom 22. bis zum 29. April erlassen.

22.04.1995

Am 22. April demonstrieren 4.000 Menschen in Dannenberg gegen den bevorstehenden Castor-Transport. Im ganzen Landkreis finden Aktionen statt: Demonstrationen, Barrikadenbau, Gleisbesetzungen, Errichtung eines Hüttendorfes und mehr.

Mehreren Castor-Gegnern gelingt es am Mittag, in Dannenberg auf die Bahnschienen zu kommen und kleine Barrikaden zu errichtet. Der Bundesgrenzschutz räumt Menschen und Sperren ab. Auf der naheliegenden Umgehungsstraße wird ein Polizeiwagen von Atomkraftgegner:innen beschädigt, ein Polizist jagt hinter einem Castor-Gegner hinterher, bekommt ihn auch zu fassen, eine Polizistin zieht dabei ihre Pistole.

Am frühen Nachmittag errichten Castor-Gegner:innen auf einem städtischen Grundstück gegenüber der Esso-Tankstelle Zelte. Die Polizei, mit mehreren tausend Einsatzkräften vor Ort, räumt ohne mündliche Ankündigung etwa hundert sitzblockierende Castor-Gegner:innen, es sei "Gefahr im Verzug". Schlagstöcke kommen zum Einsatz.

Auf dem Gelände des ehemaligen "Castornix"-Hüttendorfs im Wald beim Zwischenlager Gorleben nimmt die Polizei mehr als 100 Menschen fest, weil sie sich in der "Verbotszone" aufhalten. Mehrere Demonstranten werden in einen sogenannten "Verbringungsgewahrsam" genommen und nach Lüchow transportiert, wo sie auf dem Marktplatz abgesetzt werden.

22.04.1995

In Neu Tramm blockieren fünfzig Bauern mit ihren Treckern die Bundesgrenzschutz-Kaserne. Gegen 20 Uhr blockieren zwanzig Landwirte mit 15 Traktoren die L 256 in Groß Gusborn. Die Polizei räumt. Gegen 22 Uhr befinden sich etwa 200 Demonstranten auf dem Weg in Richtung Zwischenlager.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag; EJZ vom 24.04.1995

23.04.1995

Auf einer Wiese nahe der Bahnlinie entsteht mitten in Dannenberg am 23. April das Protest-Basiscamp "Verladenix". Den ganzen Tag und in der Nacht werden die Aktionen im Landkreis fortgesetzt.

Der nächste Castor-Transport nach Gorleben werde noch viel teurer als dieser erste werden, heißt es am Abend im Dorf „Verladenix" in Dannenberg von der BI.

23.04.1995

Unmittelbar vor der Abfahrt des Castors demonstrieren auf dem Philippsburger Marktplatz Tausend Menschen. Ein Großaufgebot der Polizei hat in den Vortagen verschiedene Besetzungsaktionen verhindert. Für die gesamte Transportstrecke gilt ein Demonstrationsverbot.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Tag X - Mit Wasserwerfern gegen den Castor-Widerstand

24.04.1995

Am 24. April um 20.05 Uhr beginnt der Castor-Transport aus dem Atomkraftwerk Philippsburg seine Fahrt in das Zwischenlager Gorleben.

Eine Diesel-Lok der Deutschen Bahn AG zieht den mit einer Plane abgedeckten Sicherheitsbehälter mit den hochradioaktiven Brennstäben aus dem Kraftwerksgelände. Ein massives Polizeiaufgebot versucht zahlreiche Demonstrant:innen von den Gleisen fernzuhalten. 250 Menschen werden von den Gleisen geräumt, über 60 Atomkraftgegner werden in Gewahrsam genommen.

8.000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz sind zur Streckensicherung durch Deutschland im Einsatz, etwa 3.500 Polizist:innen allein in Lüchow-Dannenberg.

Mehrere Versuche, den Transport unterwegs zu stoppen, scheitern. Bei Göttingen treibt die Polizei AKW-Gegner:innen von den Schienen. Vor dem Bahnhof demonstrieren mehrere Hundert Menschen, als der Zug längst durchgefahren ist. Auf ein Büro des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter wird ein Anschlag verübt.

Auf einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erklärt Landrat Christian Zülke (SPD): "Ich werden mich an das Versammlungsverbot halten". In der Nacht brennen auf den Gleisen am Bahnhof Hitzacker Holzstämme. Die zweite Bahnstrecke Uelzen-Dannenberg wird bei Zernien blockiert.

Als endgültig feststand, der Castor rollt, gab es abends noch mal eine Notgemeinschaftsversammlung mit weit über 100 Menschen. Daß wir Bauern mit unsern Treckern etwas unternehmen wollen war klar. Da wir nicht alle Anwesenden kannten, bestand die Gefahr das Spitzel geplante Aktionen verraten könnten. Fünf Bauern aus den verschiedenen Regionen des Landkreises haben sich dann zurückgezogen und beraten. Wer bereit war an der Aktion teilzunehmen, konnte dann bei dem Bauern aus seinem Gebiet nachfragen was geplant ist. Wir erfuhren dann, morgen früh 7 Uhr blockieren wir bei Splietau. (20 Jahre Widerstand - Adi Lambke, Landwirt, zieht ein Resümee)

Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag; contratom.de, EJZ vom 26.04.1995

25.04.1995

Die gesamte Castor-Transportstrecke ist Ziel von Anschlägen und Protesten. Ca. 2.000 Atomkraftgegnerlnnen im Wendland leisten erbitterten Widerstand und "stellen sich quer".

Im Schritttempo nähert sich das 125 Tonnen schwere Ungetüm mit der gefährlichen Fracht seinem Ziel nahe Gorleben in Niedersachsen: zuerst per Bahn, später dann per Lkw. Immer wieder werfen sich Menschen in den Weg und müssen weggetragen werden. Steine fliegen. Die Polizei geht mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Gorleben ist im Ausnahmezustand. Die Schulen sind geschlossen, Bauern haben sich auf Treckern zum Protestmarsch aufgemacht. (wdr.de)

Im Landkreis Lüchow-Dannenberg errichten Aktivist:innen Barrikaden auf den Gleisen, montieren Schwellen ab, setzen Strohballen und einen Güterwagen in Brand. Wieder gibt es zahlreiche Verletzte bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Nach 14 Stunden Bahnfahrt trifft der Castorbehälter aus dem baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg-2 nach etwa 580 km gegen 10.30 Uhr am Verladebahnhof Dannenberg-Ost ein. Gegen 12.00 Uhr ist der Behälter auf einen Straßen-Tieflader verladen und setzt sich auf die 18 km lange Strecke nach Gorleben in Bewegung.

Anfangs ist der Sprecher der Pressestelle "Castor" in der Polizeizentrale Lüneburg noch optimistisch. "Der Zug läuft", verkündet er stolz. "Das ist ein Erfolg für uns." Acht Stunden später ist von "erheblicher Gewaltbereitschaft" und "massiven Einsätzen" gegen Demonstranten die Rede. (wdr.de)

Rund 1500 Castor-Gegner:innen versammeln sich ab dem Nachmittag am Gorlebener Zwischenlager, um den Transport auf der Zielgeraden nochmals zu blockieren. 6.500 Beamte von Polizei und BGS bahnen dem Transport den Weg. Mit Schlagstöcken und Wasserwerfern, vor allem aber mit Zupacken räumte die Staatsmacht Demonstranten beiseite. Es kommt zu zahlreichen Verletzten.

Es ist der umstrittenste und teuerste Atommülltransport der deutschen Geschichte. Hinter ihm schließt sich das Zwischenlagertor in Gorleben um 17.12 Uhr. In Lüchow-Dannenberg lagert damit erstmals hochradioaktiver Atommüll.

Bundesweit protestieren etwa 4.000 AtomkraftgegnerInnen. Insgesamt sind 15.000 Polizisten im Einsatz, der größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt sind in Niedersachsen 7.600 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz - zusammengerufen aus einem halben Dutzend Bundesländern - im Einsatz. 29 Personen werden vorläufig festgenommen.

Dieser erste Castor-Transport kostet den Steuerzahler ca. 55 Millionen Mark, also etwa 100.000 DM je km. Davon fallen knapp 28 Millionen Mark auf das Land Niedersachsen.

"Wir werden auch den nächsten Castor-Transport so teuer machen", prophezeit ein Bauer den Heerscharen angereister Journalisten in Gorleben. "Und den nächsten." (wdr.de)


Gleich nachdem der Castor-Behälter in Gorleben abgeladen war, kündigt das Bundesumweltministerium unter Angela Merkel (CDU) an, demnächst (bis Jahresende) werde Atommüll aus dem AKW Biblis und dem AKW Gundremmingen folgen.

Der Castor sei "ein notwendiges Übel", betont Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) später. Opposition und Umweltschützer sprechen von einer "ungeheueren Provokation zum neunten Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl".
Quelle: u.a. EJZ vom 26.04.1995

Mai

Im Mai und Juni verüben Unbekannte in Norddeutschland, im Rheinland und um Rhein-Main-Gebiet zahlreiche Anschläge auf Oberleitungen, Gleisanlagen und andere Einrichtungen der Bahn. Die Polizei vermutet "militante Kernkraftgegner" als Täter und setzt 50.000 Mark Belohnung aus.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Nach Angaben von Robin Wood sind seit dem Castor-Transport bundesweit mehr als Hundert neue Anti-Atom-Initiativen entstanden.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

01.05.1995

Am 1. Mai "flüchten" etwa 1.000 Menschen in einem Treck "vor der atomaren Bedrohung" und ziehen mit Sack und Pack durch Dannenberg.

03.05.1995

Im Schadensersatz-Prozess um die Turmbesetzung in Gorleben im Juni 1990 erlässt das Landgericht Lüneburg am 3. Mai das Urteil: Die AktivistInnen sollen 126.901,10 DM (+ Zinsen) Schadensersatz wegen Stillstandskosten bei den Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock zahlen. Die Turmbesetzer*innen beantragen Berufung beim Oberlandesgericht Celle.

04.05.1995

Das "Komitee für Grundrechte und Demokratie", das beim Castor-Transport mit Demonstrationsbeobachter*innen das Geschehen verfolgte, veröffentlicht am 4. Mai ihre Bilanz. In ihrer Erklärung wird das Demonstrationsverbot und der Polizeieinsatz kritisiert:
"Dem friedlichen, gewaltfreien, offen vorgetragenen Protest wurde zunehmend mit massiven Zwangsmitteln begegnet." (Komitee für Grundrechte und Demokratie)

Später erscheint ein vollständiger Bericht mit dem Titel "Castor eingelagert - Grundrechte und Demokratie ausgelagert".

10.05.1995

Allein in Göttingen laufen im Zusammenhang mit den Castor-Protesten 160 Ermittlungsverfahren.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

12.05.1995

In einer am 12. Mai erscheinenden Anzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung bekräftigen mehr als 3.000 Unterzeichner*innen ihr "Nein zum Castor". Auf den fünf Seiten kündigen die Menschen an, weiter aktiv zu bleiben.

13.05.1995

Am 13. Mai demonstrieren in Hannover etwa 10.000 Menschen unter dem Motto "Bundesweiter Demonstrations- und Aktionstag" in Hannover gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und gegen weitere Castor-Transporte. Es handelt sich um die seit langem größte Demonstration.
Die Zeit ist einfach reif ... die Stillegung aller Atomanlagen, den Ausstieg aus der Atomenergie und Energiewende jetzt endlich durchsetzen! (Aufruf des fzs, freier zusammenschluss von studentInnenschaften e.V. )

Als Hauptredner der Kundgebung bezeichnet der Energieexperte Peter Hennicke vom Wuppertal-Institut die gegenwärtigen Energiekonsens-Gespräche als "Tiefstand politischer Kultur". Sie seien ein "Gefeilsche um Kohle und Kernenergie", während eine "Wende zur Solar- und Energiesparwirtschaft" notwendig sei. (taz, 15.5.95)

Mit dabei sind auch 300 Traktoren, ca. 250 davon sind bereits vor zwei Tagen in einem Treck der Bäuerlichen Notgemeinschaft im Wendland gestartet und in die Landeshauptstadt gekommen.

Juni

02.06.1995

Am 2. Juni genehmigt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Nutzungserweiterung der Zwischenlagerhalle Gorleben. Diese erlaubt künftig die Einlagerung von mehr als doppelt so viel radioaktivem Inventar (3.800 Tonnen statt 1.500 Tonnen) als vorher, obwohl baulich nichts geändert wurde. Teil der Genehmigung ist die Rücknahme von verglasten, hochradioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague, verpackt in Kokillen.

Gesundheitsgefahr durch Neutronenstrahlung extrem unterschätzt

07.06.1995

Auf einer Veranstaltung in Dannenberg erläutert der Nuklearmediziner Prof. Horst Kuni am 7. Juni seine Thesen von der bisher extrem unterschätzten Gesundheitsgefahr durch Neutronenstrahlung aus dem Castor-Behälter.

Beim Anlegen internationaler Maßstäbe und neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die strahlenbiologische Wirkung von Neutronen etwa 30mal höher anzusetzen sei, als in der deutschen Strahlenschutzverordnung angenommen. (Nuklearmediziner Prof. Horst Kuni, Strahlentelex)
Nach Kunis Darstellung wäre die Strahlendosis, die Polizisten bei der Begleitung von Castor-Transporten abbekommen, 300mal wirksamer als bisher angenommen. (Süddeutsche Zeitung, 10.8.95)


Es folgt eine monatelange wissenschaftliche Diskussion. Am Ende einigen sich alle Beteiligten darauf, dass die derzeit geltenden deutschen Grenzwerte für Radioaktivität zu hoch sind. Unklar ist dabei aber, um wieviel sie reduziert werden müssten. Treffen Kunis Zahlen zu, wären keine weiteren Castor-Transporte mehr genehmigungsfähig.

09.06.1995

Mit Treckern und Transparenten empfangen etwa 100 Demonstrant:innen und Mitglieder der Bäuerlichen Notgemeinschaft Umweltministerin Griefahn vor dem Kurhaus in Hitzacker. Sie ist auf Einladung des Landvolk-Kreisverband dort. Ein "Landkreisverbot" für die Ministerin, das die Bauern vor mehreren Wochen in Anzeigen ausgesprochen hatten, war für diesen Besuch "aufgehoben" worden. Landvolk und Notgemeinschaft hatten sich geeinigt, daß es die Landwirte bei einem symbolischen Protest belassen würden. Die Polizei sicherte den Ort mit einem Großaufgebot.

Als sich Griefahn den Demonstranten vor der Tür stellt, entleeren diese wortlos einige Säcke von mitgebrachtem Mist vor der Ministerin.

21.06.1995

Die neue Gesprächsrunde über einen Energiekonsens ist am 21. Juni beim dritten Treffen gescheitert, weil sich Regierungskoalition und SPD nicht über eine gemeinsame Formulierung zur Option für die Entwicklung neuer Atomkraftwerke einigen konnten.

26.06.1995

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ordnet den "Sofortvollzug" für weitere Castor-Transporte nach Gorleben an.

Juli

09.07.1995

Zu einer zweiten Informations-Reise startet am 9. Juli in Gorleben die "Castornix Karavane", dieses Mal führt sie zu den Atomanlagen in Nord- und Ostdeutschland.
Neben dem besagten "Wendländischen Castor" gibt es noch viele weitere Castoren, die täglich über unsere Schienen rollen. Bei der Castor-nix-Karavane kommt alles mit, was fahren kann. Fahrrad, Bauwagen, Liegeräder und Trecker bestimmen das Bild, wenn sich die Karavane bei glühender Mittagshitze durch die Lande begibt. In den verschiedenen Orten, wo sie durchkommt, finden mit den Gruppen vor Ort gemeinsame Aktionen, Konzerte, Partys und Diskussionen statt.(Natur-Erlebnis-Mappe der Jugend- und Umweltwerkstatt Oldesloe)

26.07.1995

Am 26. Juli ordnet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Sofortvollzug für weitere Castortransporte nach Gorleben an. Darunter sollen sich erstmals auch Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague befinden.

29.07.1995

Nachdem er sich wie ein "Eierdieb" (O-Ton Bäuerliche Notgemeinschaft) durch den Hintereingang in die Halle geschlichen hat, wird Niedersachsens Ministerpräsident und Ex-Gorleben-Demonstrant Gerhard Schröder in Hitzacker bei einem Handgemenge mit AKW-Gegner:innen ganz leicht am Schienbein verletzt.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

August

03.08.1995

"Von dem Castor gehen keine Strahlengefahren aus", betont am 3. August der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Prof. Dr. Kaul und widerspricht damit den Thesen des Marburger Nuklearmediziners Horst Kuni, die im ARD-Magazin Monitor veröffentlicht wurden. Dessen Thesen würden auf "zum Teil unsinnigen Annahmen sowie nicht bewiesenen strahlenbiologischen Behauptungen" beruhen. (Süddeutsche Zeitung, 10.8.95)

Nach der Monitor-Sendung reagiert Niedersachsens Innenminister Glogowski prompt:
"Es wird solange keine Einsätze niedersächsischer Polizeieinheiten bei CASTOR-Transporten geben, bis nicht unzweifelhaft feststeht, daß für die eingesetzten Beamten keine gesundheitliche Gefährdung besteht."

12.08.1995

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder kündigt am 12. August an, dass Niedersachsen künftig weitere Transporte nach Gorleben auch gegen den Widerstand von Atomkraftgegnern durchsetzen werde, "wenn die Sicherheitskriterien erfüllt seien". (Hannoversche Allgemeine, 14.8.95)

13.08.1995

Am 13. August bezeichnet die niedersächsische Landesregierung die Pläne, noch im November jeweils einen Castor aus dem bayerischen Atomkraftwerk Gundremmingen und einen aus der französischen WAA La Hague in das Zwischenlager Gorleben zu transportieren, als "unrealistisch". Die Handhabung der Behälter müsse noch geprüft werden.

21.08.1995

Mit Schweißbrennern werden in der Nacht vom 21. auf den 22. August drei der vier Träger der Castor-Verladekrans in Dannenberg durchtrennt. Der Kran kippt allerdings nicht um. Parallel findet ein Anschlag auf das Zwischenlager Gorleben statt: Die Stromzufuhr wird durch Herbeiführung eines Kurzschlusses unterbrochen und die Halle mit Leuchtraketen beschossen. Außerdem werden Fensterscheiben mit Parolen besprüht und auf mehreren Straßen Strohballen angezündet. Die Betreiber sprechen von 300.000 DM Sachschaden und setzen eine Belohnung zur Ergreifung der TäterInnen aus.

25.08.1995

Am 25. August widersetzt sich die sachsen-anhaltinische Umweltministerin Heidrun Heidecke (Bündnis 90/Die Grünen) einer Weisung des Bundesumweltministeriums und untersagt die Fortführung der Versturz-Technik im Endlager Morsleben. Die Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen könnten nach einem Sturz aus einer Höhe von 15 Metern "bersten und ihre Inhalte sich vermischen, so daß die Abfälle nicht mehr kontrollierbar und auch nicht mehr rückholbar seien".

Stay rude-Stay rebel - Festival

26.08.1995

"Stay rude - Stay rebel", Rock gegen Atomkraft ist das Motto des zweitägigen Benefitz-Open-Air-Festivals zugunsten des wendländischen Widerstands am 26./27. August in Grabow (zwischen Dannenberg und Lüchow). Insgesamt kommen - trotz Regen - mehr als 5.000 Menschen auf den Blottnitzschen Acker. Es spielen fast 48 Stunden non-stop und ohne Gage 24 Bands, darunter namhafte wie No Sports, Wolf Mahn, Ulla Meinecke, Fettes Brot, Inga Rumpf, The Bates und als "Special Guest" Die Toten Hosen.
Das Festival ist, wie so vieles im Wendland, selbstgemacht: Hunderte freiwillige Helfer organisieren eine fast perfekte Großveranstaltung.

29.08.1995

Anschlag auf die Bahnstrecke Uelzen - Dannenberg. Bei Bad Bevensen wird ein Kabel und einen Schaltkasten in Brand gesetzt, wodurch ein Schaden von rund 70 000 Mark entsteht und zeitweilig der Bahnverkehr beeinträchtig wird. Am Tatort wurde ein Aufkleber mit der Aufschrift "Castor-Alarm 2, Tag X — Jetzt erst recht! Wir stellen uns quer!" gefunden.
Quelle: DPA, 30.8.95; Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

September

02.09.1995

Am 2. September werden die seismischen Untersuchungen im Raum Gorleben-Süd mit dem "letzten Schuss" abgeschlossen.

06.09.1995

Am 6. September beginnen die Arbeiten zur seismischen Erkundung im Raum nördlich der Elbe.

09.09.1995

1.200 Urlauber:innen haben die Erklärung "Wendlands Gäste gegen Castor" unterzeichnet, die als doppelseitige Anzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung erscheint.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

24.09.1995

Auf das "Benefiz" folgt am 24. September das "Malefitz": Rund um das geplante Endlagerbergwerk und die angrenzende Salzhalde demonstrieren 1.000 Menschen mit "Spass, Spiel und Spannung". Es kommt zu Rangeleien mit der Polizei, Schlagstock- und Wasserwerfereinsatz.

26.09.1995

Die Polizei in Karlsruhe durchsucht mehrere Wohnungen von AKW-Gegner:innen, denen im Zusammenhang mit den Castor-Protesten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt wird.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Oktober

03.10.1995

Im niedersächsischen Saldenburg, als möglicher Alternativ-Standort für ein Endlager im Gespräch, findet die erste Demonstration seit Beginn der Geschichtsschreibung statt. Tausend Menschen demonstrieren gegen die Atompläne.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

22.10.1995

Am 22. Oktober findet in der Dannenberger Kirche ein weiteres Benefitz-Konzert für den Widerstand statt: Haydns "Schöpfung" wird zugunsten der Bürgerinitiative von MusikerInnen der Kieler Oper aufgeführt.

24.10.1995

Der folgenschwerste Anschlag einer ganzen Serie von Sabotage auf Einrichtungen der Bahn setzt am 24. Oktober die Hauptstrecken Hamburg - Hannover und Hamburg - Bremen stundenlang außer Betrieb. Insgesamt 34 Reisezüge stehen still oder müssen umgeleitet werden, darunter zwölf ICE-Züge. Tausende von Pendlern kommen zu spät zur Arbeit. In allen sechs Fällen werden die Oberleitungen durch Hakenkrallen oder Wurfanker, die sich in den Stromabnehmern der Lokomotiven verfingen, zerstört.
Nach Angaben der Bahn AG sind durch die Anschläge allein in diesem Jahr Sachschäden von zwei bis drei Millionen Mark verursacht worden. Nach einer Agenturmeldung sind seit dem ersten Castortransport allein in Norddeutschland mindestens dreißig Anschläge auf Bahneinrichtungen verübt worden. Die Polizei hat zwei Sonderkommissionen eingesetzt, aber noch keinen Verdächtigen präsentieren können.
Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

27.10.1995

Am 27. Oktober wird bekannt, dass die Bahn wegen der Anschlagsserie prüft, ob sie in Einzelfällen Transporte von Castor-Behältern verweigern kann. Außerdem will der Konzern sich künftig die Schäden im Zusammenhang mit Atomtransporten von den AuftraggeberInnen bezahlen lassen (sog. Haftungsfreistellung).

28.10.1995

Bundesweiter Aktionstag gegen Atomkraft und Castor-Transporte mir schwacher Beteiligung. In der Bad Homburger Fußgänmgerzone verdeutlicht ein 200 Meter langer "Zeitstrahl": "Hätten die Neandertaler Atomkraftwerke gebaut, wären heute immer nich 99,99 Prozent des radioaktiven Uran 235 vorhanden." In Kiel blockieren AKW-Gegner:innen die Abfahrt eines IC-Zuges. Demonstrationen werden aus Berlin, Kassel, Lübeck und dem Wendland gemeldet.

Als Teil des bundesweiten Aktionstages gegen Castor-Transporte starten die Castor-Ortsgruppen aus Lüchow-Dannenberg Aktivitäten unter dem Motto "Wir verschönern den Landkreis". An vielen Orten werden neue Transparente, Beschriftungen, Plakate Stelltafeln und Strohpuppen angebracht.
Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

29.10.1995

Die Bahn AG will prüfen, ob sie in Einzelfällen Transporte von Castor-Behältern verweigern kann. Durch die Anschläge der vergangenen Wochen sind dem Unternehmen nach eigenen Angaben Schäden in Höhe von zwei bis drei Millionen Mark entstanden.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

30.10.1995

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" äußert ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes am 30. Oktober die Befürchtung, daß die Zahl der Anschläge auf Bahnanlagen im Zusammenhang mit Castor-Transporten noch zunehmen werden.

30.10.1995

Das Amtsgericht Dannenberg entzieht einem Bauern aus Zargleben den Trecker-Führerschein. Er soll laut Anklage bei einer Demonstration gegen die Castor-Transporte die Haltesignale von Polizist:innen missachtet und sie mit dem Traktor zurückgedrängt haben.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

November

Im November sind für die Arbeiten zur seismischen Erkundung im Raum nördlich der Elbe von ca. 90 km bereits ca. 35 km fertiggestellt.

01.11.1995

Bei der Eröffnung des ersten deutschen Kulturbahnhofs in Kassel schmuggeln AKW-Gegner:innen eine Ausstellung in die Halle, die auf zehn Stelltafeln Widerstandsaktionen gegen Castor-Transporte dokumentiert.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Baustopp aufgehoben

02.11.1995

Am 2. November entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, dass die niedersächsische Landesregierung die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktive Abfälle zulassen muss. Das Gericht gab damit in letzter Instanz einer Klage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) statt. Die Landesregierung hatte 1992 die Bergbehörden angewiesen, die Erlaubnis für die Erkundungsarbeiten in Gorleben nicht zu verlängern. Nach Feststellung des Gerichts gibt es aber keinen gesetzlichen Grund, die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans von 1983 zu verweigern und die Vorlage eines neuen Rahmenbetriebsplans zu verlangen. Das BfS wies darauf hin, daß durch die Versagung einzelner Genehmigungen Stillstandskosten von mehreren Millionen Mark entstanden seien, die jetzt gegenüber dem Land als Schadenersatzforderung geltend gemacht würden.

In dem Urteil werden auch die Salzrechte des Grafen von Bernstorff erwähnt und nicht als "unüberwindliches Hindernis" angesehen.

"Anstatt ein notwendiges Projekt immer wieder zu behindern, sollte Gerhard Schröder bei seinen SPD-Kollegen um alternative Standorte werben. Das wäre ein Fortschritt in einer scheinheiligen Atomdebatte, die sich inzwischen um jeden Rest von Glaubwürdigkeit gebracht hat."

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 3.11.95

02.11.1995

Der für 7,5 Milliarden Mark errichtete, nie in Betrieb genommene Schnelle Brüter in Kalkar wird samt zugehörigem Grundstück für rund 3 Millionen Mark an den niederländischen Geschäftemacher Henry van der Most verscherbelt. Most will dort einen Erlebnispark einrichten, der Name: Kernwasser-Wunderland. Der Umbau soll 1997 beginnen.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Dezember

Göttinger Betriebe gegen Castor: "Wir werden am Tag der Transporte keinen normalen Geschäftsbetrieb haben", erklären 24 Läden, Kneipen, Bürogemeinschaften und Handwerksbetriebe.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Ende 1995 wird genehmigt, das zulässige Radioaktivitätsinventar des Fasslagers Gorleben (Zwischenlager für schwach- und mittelaktiven Atommüll) um das 1000-Fache zu erhöhen. Hintergrund ist die Absicht, bitumierte radioaktive Abfälle aus der französischen WAA Cap de La Hague und mittelaktive Komponenten in Gorleben einzulagern.

18.12.1995

Eine erneute Anschlagserie auf Bahnanlagen wurde am 18. Dezember verübt. Innerhalb von gut zwei Stunden erfolgen acht Anschläge mit Wurfankern, die die Oberleitungen beschädigten und den Zugverkehr auf den Strecken zwischen Mannheim und Frankfurt sowie zwischen Frankfurt und Fulda stundenlang lahmlegten. Die Polizei findet Flugblätter mit Parolen wie "Stoppt Castor" oder "Atomtransporte stoppen".
Quelle: FAZ, 19.12.95

19.12.1995

In der folgenden Nacht (19. Dezember) wird die Rheintalstrecke bei Dieblich durch einen umgesägten Bahnstrommasten blockiert. Die Bahn beziffert den Sachschaden auf mehrere hunderttausend Mark.
Quelle: FAZ, 21.12.95

Die ganze Geschichte: