GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 1994

Pleiten, Pech und Pannen: "Castornix"

Widerstandscamp "Castornix" und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.


Nachdem im Vorjahr wegen fehlerhaften Schweißverfahren beim Aufbringen eines Ersatzdeckels bei Undichtigkeit kein Castorbehälter nach Gorleben rollen konnte, soll 1994 der erste Castor kommen. Lieferant soll das Atomkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg sein. Im Protest gegen die Nuklearlieferung erlebt die Anti-Atom-Bewegung ein Comeback.

Januar

08.01.1994

26 Umweltschützer:innen hängen 126 gelbe Wertstoffmüllsäcke an den Natodraht des Zaunes, der das Zwischenlager Gorleben umgibt. An einer Mauer bringen sie das Zeichen für Radioaktivität an - mit einem stilisierten "grünen Punkt", dem Zeichen des Dualen Systems (DSD), in der Mitte. Anlaß für den Protest der BI ist der Besuch des für Atompolitik und DSD verantwortlichen Bundesumweltministers Töpfer in Lüchow-Dannenberg.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

11.01.1994

Das niedersächsische Umweltministerium will ablehnend Stellung nehmen zu einem Antrag in Sachen Fügedeckel für einen Castor. Die BLG als Betreiberin des atomaren Zwischenlagers in Gorleben solle nachweisen, daß Schweißarbeiten nach Einlagerung der hochradioaktiven Castor-Behälter auch bei Temperaturen von über 80 Grad an den Bauteilen möglich sind. Es gebe zu dem jetzt vorliegenden Änderungsantrag "etliche Kritikpunkte", heißt es auf dem Ministerium.

Die BI Umweltschutz vermutet einen Castor-Transport als Bonner Maßnahme, um Rot-Grün in Hannover zu sprengen. Für den Fall eines Transportes haben die Atomkraftgegner Protest angekündigt, der allerdings klar den Verantwortlichen kenntlich machen soll: Bundesumweltminister Töpfer. Hannover halt dagegen einen Transport vor den Wahlen aus Zeitgründen für "eher unwahrscheinlich".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 11.1.1994

13.01.1994

Am 13. Januar wird im Endlager Morsleben der im Februar 1991 unterbrochene Einlagerungsbetrieb wieder aufgenommen.

30.01.1994

Trotz der Tatsache, dass die Herkunft der Laugenzuflüsse in Schacht 1 des Endlagerbergwerks Gorleben unbekannt sind, bekräftigt die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE) am 30. Januar den Weiterbau.

31.01.1994

Auch rund zwei Monate nach den erneuten Flüssigkeitszuläufen im Erkundungsbergwerkschacht I für ein atomares Endlager in Gorleben ist nicht klar, wo die Lauge herkommt. Zwar ist die Sohle nach Auskunft des niedersächsischen Umweltministeriums und der Erbauerin DBE mittlerweile trocken. Doch nach wie vor fallen in Kontrollbohrlöchern zwei his fünf Milliliter an Lauge pro Minute an. Es gebe derzeit im Schacht "keine akute Gefährdung", so das Landesumweltministerin.

Die Betreiberin DBE will weiterteufen um die Zuflüsse zu stoppen, Rot-Grün wird vor den Landtagswahlen kein Interesse daran haben. Die Atomkraftgegner "zweifeln inzwischen nicht nur am Sachverstand der DBE. sondern auch an dem der Bergbehörde". BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: Wir fragen, was das Bergamt Celle qualifiziert, wenn die Wasserwegsamkeiten nicht nachvollzogen werden können." Die BI vermutet, daß die DBE im Schacht erhebliche Schwierigkeiten hat.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 11.1.1994

Februar

02.02.1994

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) fordert seine niedersächsische Kollegin Griefahn (SPD) auf, bis zum 8.2. ihre Bereitschaft zur Erteilung der zweiten Teilgenehmigung zur Errichtung der Pilotkonditionierungsanlage zu erklären. Andernfalls werde er "kurzfristig zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch einladen".
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

03.02.1994

Am 3. Februar wird bekannt, dass Tritium in der Schachtanlage Gorleben gefunden wurde. Dieser radioaktive Betastrahler mit einer Halbwertszeit von 12,32 Jahren stammt entweder von der Oberfläche oder von künstlichen Tritiuminjektionen bei der Salzstockerkundung.

04.02.1994

Am 4. Februar wird bekannt, dass beim Bau der Pilotkonditionierungsanlage Gorleben (PKA) Änderungen ohne dafür notwendige Genehmigungen durchgeführt wurden. In 19 Fällen habe die Betreiberin, die GNS/BLG, Änderungen an den genehmigten Bauplänen der PKA vorgenommen. In mindestens fünf Fällen sei die vorgeschriebene Anzeige der Veränderung zu spät gekommen: Sie sind bereits in Beton gegossener Teil der Anlage im Gorlebener Forst. Notwendige Genehmigungen des Ministeriums waren nicht eingeholt worden. Im einzelnen beträfen die Änderungen mehrere Luftschächte, die entfallen oder entgegen der Planung neu entstanden sind, sowie Durchbrüche, die gröber ausfielen als genehmigt. Das alles könne die Auslegung der Anlage für die Sicherheit bei Flugzeugunglücken berühren, meinen die Fachreferenten im Umweltministerium auf Grundlager einer TÜV-Expertise.

Bundesumweltminister Töpfer wirft seinen niedersächsischen Kolleg:innen "Pfusch am Bau" und unrechtmäßige Veränderungen in der Bauausführung vor. Er weist Niedersachsen an, das Verfahren zur 2. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) erst einmal zu stoppen: wegen Zweifel an der Zuverlässigkeit
der Betreiberfirma GNS.

Die GNS zieht personelle Konsequenzen und tauscht drei für den Bau verantwortliche Mitarbeiter*innen aus. Das niedersächsische Umweltministerium (NMU) verweigert die Erteilung der 2. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG).
Quelle: u.a. Elbe-Jeetzel Zeitung

07.02.1994

Der Bundesumweltminister sei "nicht in der Lage, die Zuverlässigkeit des Betreibers der PKA zu gewährleisten", kontert die niedersächsische
Umweltministerin Griefahn. In einem Gutachten wird belegt, dass Bundesumweltminister Töpfer "das Verfahren politisiert" habe.

Sie zitiert Fax-Schreiben:
Am Donnerstag vergangener Woche, zwei Minuten vor 8 Uhr abends, wies Töpfer die Niedersachsen an, das Verfahren zur 2. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) erst einmal zu stoppen: wegen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Betreiberfirma GNS.

Einen Tag vorher, am Mittwoch um zwanzig Minuten nach 2 Uhr, galt in Bonn noch genau das Gegenteil. Die Zuverlässigkeit des Betreibers sei gegeben, schrieb Töpfer. Hannover müsse die 2. TEG bis spätestens zum 2. März aussprechen. Kaum war diese Sendung eingetroffen, da lieferte der TÜV Hannover seine Expertise im Ministerium ab.

Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

21.02.1994

Auf der Anhörung zu dem von Niedersachsens Umweltministerin Griefahn im September 1993 verhängten Baustopp in Gorleben vor dem Veraltungsgericht Lüneburg wird am 21. Februar bezweifelt, "ob Gorleben als Endlager noch politisch erwünscht" ist. Eine Entscheidung wird für den am 07. März angekündigt.

25.02.1994

Die Bundesversammlung von Bündnis 90/Die Grünen beschließt in Mannheim als Forderung für den Bundestagswahlkampf, daß alle deutschen Atomkraftwerke innerhalb von höchstens zwei Jahren stillzulegen seien.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

März

07.03.1994

Am 7. März entscheidet das Verwaltungsgericht Lüneburg zugunsten der Klägerinnen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und Gesellschaft für den Betrieb und Bau von Endlagern (DBE) für den Weiterbau im Erkundungsbergwerk Gorleben und hebt damit den am 9. September 1993 verhängten Baustopp auf.

Der Verlangensbescheid des Oberbergamts aus dem Jahr 1992 auf Vorlage eines Rahmenbetriebsplans mit Umweltverträglichkeitsprüfung ist vom Verwaltungsgericht für rechtswidirg erklärt worden. Die Bergbehörden werden verpflichtet, dem Antrag des BfS aus Verlängerung der Rahmenbetriebsplans von 1983 stattzugeben.

24.03.1994

Am 24. März wird der Innenausbau des Schachtes 2 des Erkundungsbergwerks Gorleben fertiggestellt.

April

03.04.1994

Als Reaktion auf den Weiterbau im Endlagerbergwerk begräbt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg am 3. April, Ostersonntag, die Wahlversprechen der rot-grünen niedersächsischen Regierung vor dem Endlagergelände.

07.04.1994

Anlässlich ihres 70. Geburtstages wird Marianne Fritzen am 7. April in den Trebeler Bauernstuben in einer Inszenierung vor Gericht gestellt und verurteilt, "den Widerstand lebenslänglich weiterzuführen".

14.04.1994

Nach dem Gerichtsurteil vom 7. März genehmigt auch das Niedersächsische Umweltministerium am 14. April den Schachtweiterbau in Gorleben. Der Hauptbetriebsplan 1994/1995 zum Abteufen der Schächte wird zugelassen.

16.04.1994

In einem Interview sagt Heinrich Seesing, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, daß die Koalition künftig auch die langfristige Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente als Entsorgungsnachweis anerkennen wolle. Die hochradioaktiven Abfälle würden in jedem Falle für etwa 30 bis 40 Jahre oberirdisch zwischengelagert werden müssen, bis ihre Wärmeentwicklung deutlich nachgelassen habe. Deshalb habe man mit dem Bau des Endlagers Gorleben noch Zeit.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; Hannoversche Allgemeine, 16.4.94

18.04.1994

Ab dem 18. April werden die Erkundungsarbeiten im Salzstock Gorleben nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. März 1994 fortgeführt. Damit endet die seit September 1993 angesetzte Kurzarbeiter für die Mitarbeiter*innen.

27.04.1994

Mit Änderung der Aufbewahrungsgenehmigung am 27. April wird das "Schweißnaht-Problem gelöst". Die Genehmigung gilt aber nur für einen älteren Behälter-Typen "Castor 2a", der nur noch in fünf Atomkraftwerken Anwendung findet.

29.04.1994

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) stellt bei der Verabschiedung des Artikelgesetzes zur Finanzierung der Steinkohleverstromung und zur Änderung des Atomgesetzes durch den Bundestag nochmals klar, daß der Entsorgungsnachweis für Atomkraftwerke weiterhin an die Errichtung eines Endlagers gebunden bleibt.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

Mai

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigt eine 1993 vom Betreiber des Zwischenlagers beantragte Änderung am Fügedeckel für den Castortyp "II a". Mit dem jetzt genehmigten Fügedeckel soll es möglich sein, Schweißarbeiten nach Einlagerung des Behälters auch bei Temperaturen bis zu 60 Grad an den Bauteilen auszuführen. Nach Angaben des BfS sei dies eine Änderung für den Fall, daß beide Deckel defekt und Reparaturmaßnahmen notwendig sind.

Damit steht der Einlagerung eines Castors mit hochradioaktivem Atommüll aus formaltechnischer Sicht seit Anfang Mai nichts mehr im Wege. Ein Atomkraftwerksbetreiber könnte demnach sofort einen Castor-Transport ins Gorlebener Zwischenlager anmelden, der dann nur noch vom BfS genehmigt werden müßte.

Im Atomkraftwerk Philippsburg sieht man "keine drängende Notwendigkeit" für einen Castor-Transport, ist aus Baden-Württemberg zu erfahren. Aber man befasse sich mit dieser Möglichkeit, heißt es aus Philippsburg.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 18.5.1994

02.05.1994

"Hinter verschlossenen Türen wird der Abschied von den Endlagerplänen in Gorleben unter den Kraftwerksbetreibern schon seit einiger Zeit diskutiert - um Kosten und Ärger zu sparen, würden sich die EVU viel lieber in Osteuropa nach Deponiermöglichkeiten für ihre abgebrannten Brennstäbe umtun. Noch scheuen sie sich, offen den Verzicht auf den symbolträchtigen Standort im Wendland zu erklären." (SPIEGEL)
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; Spiegel vom 2.5.94

12.05.1994

Zwischen dem 12. und 23. Mai finden erneut die "wunderpunkte Wendland" statt. Erstmalig schließen alle Ausstellungsorte für eine gemeinsame Protestaktion gegen die Atomanlagen: "Freitag 20.5.1994 geschlossen -> nach Gorleben <-" heißt es im Reisebegleiter.

"Auf immer und ewig" !Gen Gorleben 1994! Wider die atomare Bedrohung - heißt es in einem Aufruf, "schließt euch zusammen zu Horden und Hauffen, zur Mission gen Gorleben.

Ab dem 12. bis zum 22. Mai von Himmelfahrt bis Pfingsten, wollen wir beim Kreuz-und-Quer-Zug umherschweifen, lagern, belagern, jubilieren mit Geist und Gerät, ohne Feuer und Schwert, für Ehre und Gerechtigkeit, tapfer und gewaltlos, um das Leben gegen das ewige-fahle Feuer des entfesselten Atom, gegen Castor und Plutonium zu schützen." (aus: Reisebegleiter 1994)


Zu Pfingsten werden die Atomanlagen Gorleben von etwa 300 Atomkraftgegner*innen "mit mittelalterlichen Geräten belagert": Sie bauen einen Belagerungsturm, Wurfmaschinen und den im Rahmen des "Castor-Halle-Huja" im September 1993 gefertigten Rammbock auf. Kurzzeitig gibt es Rangeleien mit der Polizei.

18.05.1994

"Die Bundesregierung denkt gar nicht daran, sich aus der weiteren Erkundung des Salzstockes Gorleben als Endlager für radioaktive Abfälle zurückzuziehen." Mit dieser Erklärung reagiert Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) auf einen Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom selben Tag, wonach Geowissenschaftler im Auftrag des Bundes sechs Salzstöcke in Ostdeutschland auf ihre Eignung als Endlager für radioaktive Abfälle untersuchen. Nach Töpfers Worten sei es völlig abwegig, aus diesen seit langem bekannten Forschungen eine Abkehr von Gorleben ableiten zu wollen.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; Hannoversche Allgemeine

24.05.1994

Am 24. Mai teilt der Betreiber der Zwischenlagers Gorleben dem Bundesamt für Strahlenschutz mit, dass neun abgebrannte Brennelemente aus dem AKW Philippsburg-2 in einem Castor-Behälter nach Gorleben gebracht werden sollen.

Juni

Anfang Juni

Anfang Juni wird bekannt, dass der Castortransport zwischen dem 27. Juni und dem 10. Juli in Philippsburg beladen werden und in der Woche ab dem 11. Juli in Gorleben eintreffen soll.

06.06.1994

Am 6. Juni startet die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg mit einer Veranstaltung die fünfte Anti-Castor-Mobilisierung. In den darauf folgenden Tagen treffen sich die verschiedenen örtlichen Gruppen, Aktionskonzepte werden entwickelt, Inserate in der "Elbe-Jeetzel-Zeitung" geschaltet und der Landkreis nach und nach mit Plakaten und Parolen verziert. Täglich und nächtlich gibt es mehrere Aktionen.

11.06.1994

Am 11. Juni erklären 17 BürgermeisterInnen, der Landrat und seine zwei StellvertreterInnen per Inserat: "Wir stellen uns quer!"

13.06.1994

Nach ihrem erneuten Einzug in das Europäische Parlament nach der Europawahl am 12. Juni kündigt Undine von Blottnitz (Grüne) an, ihr nächstes Projekt sei: "Den Castor verhindern".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 13.6.1994

15.06.1994

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) weist seine niedersächsische Amtskollegin Monika Griefahn (SPD) an, die zweite Teilgenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage (PKA) in Gorleben bis zum 13.7. zu erteilen. Griefahn erklärt, daß sie der bundesaufsichtlichen Weisung Folge leisten werde, die PKA aber weiterhin für unsinnig halte.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

19.06.1994

Am 19. Juni beschließen süddeutsche Anti-Atom-Initiativen auf einem Treffen in Karlsruhe die Beobachtung des AKW Philippsburg. Außerdem werden verschiedene Aktionen für das Vorfeld und den konkreten Transporttermin vorbereitet.

21.06.1994

Eine "Gruppe Waschbär" verübt am 21. Juni einen Anschlag auf das Infohaus der Zwischenlager-Betreiberin in Gorleben, bei dem 20.000 DM Schaden entstehen. Am gleichen Tag blockieren über 100 SchülerInnen "probeweise" für knapp eine Stunde die Lüchower Innenstadt. Vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg wird zudem eine Klage gegen die geänderte Aufbewahrungsgenehmigung des Zwischenlagers eingereicht. Parallel dazu erfolgt die Ankündigung, sollte die Klage keine aufschiebene Wirkung für den Castortransport haben, würde man einen Eilantrag auf Aufhebung des Sofortvollzugs folgen lassen.

23.06.1994

Am 23. Juni sprechen sich alle Pastoren des Kirchenkreises Dannenberg gegen den Atommüll-Transport aus, am "Tag X" wollen sie Andachten und Gottesdienste abhalten. In der Nacht werden bei einem Anschlag auf die Güterbahn- und damalige Castortransportstrecke Uelzen - Dannenberg 19 Bahnschwellen in der Mitte zersägt und anschließend die Schienen verbogen.

24.06.1994

Für eine Woche sind große Plakate auf zehn angemieteten Plakatwänden im Kreisgebiet zu sehen, die auf den bevorstehenden Transport eines Castor-Behälters mit hochradioaktiven Abfällen in das Zwischenlager Gorleben hinweisen. Künstler:innen haben die Plakatwände gestaltet, jede für sich ist ein Unikat.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 28.6.1994

25.06.1994

Der zwölfachsige Spezial-Bahnwaggon trifft am 25. Juni mit einem leeren Castor-Behälter am AKW Philippsburg ein.

27.06.1994

"Die Niedersächsische Landesregierung lehnt die Einlagerung von Castor-Behältern im Zwischenlager Gorleben strikt ab", so Landesumweltministerin Monika Griefahn in einem internen Treffen in der Festung Dömitz mit Lüchow-Dannenbergs Landrat, Stellvertretern, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zum Thema "Gorleben". Mit dem Castor-Einlagern werde "entweder eine Zwischenlagerung ohne Ende begonnen oder ein Endlager an einem ungeeigneten Standort zementiert". Die Bundesregierung wolle die Bedenken nicht hören - sie versuche "mit aller Gewalt, einen unnötigen Transport noch vor der Bundestagswahl durchzudrücken", so die Ministerin. Ungeachtet aller Bedenken wolle Umweltminister Töpfer sowie die Betreiber von der bestehenden Aufbewahrungsgenehmigung für den Castor und die erst kürzlich erteilte Ergänzung zum Fügedeckel Gebrauch machen. Die Landesregierung habe ihre politischen Möglichkeiten, die Einlagerung doch noch zu verhindern, ausgeschöpft.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 28.6.1994

27.06.1994

Am 27. Juni wird der Atommüll-Behälter per Kran vom Waggon zur Schleuse in der Reaktorkuppel des AKW Philippsburg-2 gehoben und eingeschleust.

28.06.1994

Am 28. Juni wird bekannt, dass der Bund den Sofortvollzug für die geänderte Aufbewahrungsgenehmigung des Zwischenlagers Gorleben angeordnet hat. Damit hat die am 21. Juni in Lüneburg eingereichte Klage keine aufschiebende Wirkung mehr. Einige Tage später beantragen die KlägerInnen wie angekündigt die Aufhebung des Sofortvollzugs.

30.06.1994

Zwei Tage später, am 30. Juni, erklärt die Niedersächsiche Umweltministerin Monika Griefahn in einem Brief an die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, dass sie "alle Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft" habe, die Inbetriebnahme des Zwischenlagers zu verhindern. Sie teilt mit, sie werde selbst "am Tage X präsent sein". Am gleichen Tag demonstrieren über 30 Trecker in Dannenberg zur Wochenmarktzeit gegen den drohenden Castortransport.

Ende Juni

In einer Sitzung verurteilt der Rat der Gemeinde Gorleben die Zerstörungen am Gemeindehaus, in dem die BLG eine Infostelle betreibt. Unbekannte hatten dort etwa 20 000 DM Schaden verursacht. Es sei auch zu verurteilen, daß die Lüchow-Dannenberger Bürgerintiative Umweltschutz öffentlich in ihren Aufrufen zu Demonstrationen gegen das Zwischenlager verkünde, man werde sich dabei "auch über Recht und Gesetz hinwegsetzen".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 28.6.1994

Ende Juni

CDU-Bundestagskandidaten Kurt-Dieter Grill forderte die SPD auf, "die politische Unterstützung für den gewalttätigen Widerstand aufzugeben". Bürgermeister und Landräte seien auf die Verfassung verpflichtet, dieses heiße auch: Respekt vor rechtmäßigen Entscheidungen und anderen gewählten Mehrheiten. Grill: "Wenn die SPD schweigt, wird sie zum klammheimlichen Mittäter der militanten Szene."
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 28.6.1994

Gutachten: Zweifel an Salzstockeignung bestätigt


Ende Juni

Mit einer aus sieben Teilen bestehenden Begutachtung zur Eignung Gorlebens als Endlager befasste sich der Beirat für Fragen des Kernenergieausstiegs. Die Zweifel an der Eignung des Standortes Gorleben als Atommüllendlager seien im Ergebnis "erneut bestätigt worden", erklärt bei der Vorstellung Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn.

Vier Gutachten stellen gravierende Mängel des Standortes Gorleben fest, die eine Eignung ausschlössen. So müßten nach Erkenntnissen des Hamburger Geowissenschaftlers Eckhard Grimmel Gebirgszusammenbrüche und ein Absaufen des Endlagerbergwerks befürchtet werden. Dadurch könnten Radionuklide in die Biosphäre entweichen. Auch der Kieler Geologe Klaus Duphorn empfiehlt den Stopp der Erkundungsarbeiten wegen mangelnder Eignung. In seinem geologischen Gutachten weist er zahlreiche Schwachpunkte des Salzstockes nach. Nach den Untersuchungen des Geologen Detlef Appel aus Hannover muss eine stärkere Ablaugung als bisher angenommen unterstellt werden, was die geologische Barriere Salzgestein entscheidend schwäche. In einem weiteren Gutachten, das Appel mit seinem Kollegen Jürgen Kreusch erarbeitet hat, wird festgestellt, daß das Deck- und Nebengebirge des Salzstocks keine geologische Barriere bilde.

Die beiden Clausthaler Geowissenschaftler Albert Günter Hermann und Bernhard Knipping haben bei ihren Untersuchungen festgestellt, dad in mehreren 100 bis 1000 Metern Tiefe im Salzstock Bereiche vorlegen, die in ihrem chemischen Stoffbestand seit 250 Millionen Jahren unverändert geblieben sind. Eine Eignung als Atommüllager schließen sie deshalb nicht aus - empfehlen aber, die bisherigen Befunde zu überprüfen. Auch das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung empfiehlt weitere Untersuchungen für eine abschließende Bewertung.

Zwei Untersuchungen des Clausthaler Geowissenschaftlers Karl-Heinz Lux zur Salzmechanik und der niederländischen Wissenschaftler Jan Prij und C. J. von Duijn zur Radiolyse sowie zur Grundwasserbewegung und zum Nuklidtransport behandeln eher Grundsätzliches; eine mögliche Eignung des Salzstockes als Atommüllendlager wollen sie nicht ausschließen.

"Damit steht jetzt schon fest, daß der Standort Gorleben als Atommüllendlager ungeeignet ist. Die Bundesregierung muß die sinnlosen Erkundungsarbeiten endlich beenden", forderte Griefahn in Hannover. Der Salzstock bietet nicht das Mehrfachbarrierensystem, welches das Austreten von Radionukliden auf lange Zeit sicher verhindert.

Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 28.6.1994

Juli

Der "Risikotransport quer durch die Republik", überraschend angekündigt, wird von Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) als "Kriegserklärung Bonns" und "unverständliche Provokation" angesehen. Die offizielle Haltung der Landesregierung ist gegen den Transport und gegen die Atomanlagen in Gorleben. Carsten-Uwe Heye, der Sprecher von Ministerpräsident Gerhard Schröder sieht dennoch in den Aktivitäten der Castor-GegnerInnen "unangenehme Reste der Anti-AKW-Bewegung am Werk".

Hüttendorf "Castornix"

02.07.1994

Neun Tage vor dem angekündigten Transporttermin beginnen am 2. Juli AtomkraftgegnerInnen im Wald bei den Atomanlagen Gorleben mit dem Bau eines Hüttendorfs: Hütten werden gezimmert, Planen zwischen den Bäumen gespannt, aus dem Unterholz erwächst die Trutzburg "Castornix".

04.07.1994

Auf Einladung von Landrat Christian Wilke und der Bürgerinitiative Umweltschutz machen Landesumweltministerin Griefahn und die Lüneburger Regierungspräsidentin Birgit Pollmann vor etwa 200 Atomkraftgegner:innen im Schützenhaus Dannenberg ihre Position zum angekündigten Atomtransport klar. Griefahn werde alles versuchen, um einen Castor-Transport erst gar nicht auf die Straße gehen zu lassen. Sollte der erste Transport mit hochradioaktivem Material aus dem Atomkraftwerk Philippsburg aber dennoch abgeschickt werden, sei es ihre Pflicht, als Ministerin nach Recht und Gesetz zu handeln. Mit gegebenenfalls polizeilichen Mitteln müsse der Transport dann durchgebracht werden. Als Ministerin sei sie auch nicht befugt, an den Demonstrationen teilzunehmen.

Sie würden in Sachen Castor-Transport "einen Spagat machen, der Sie zerreißen wird", prophezeit ein Atomkraftgegner den beiden Frauen. Die Haltung der Landesregierung sei "schizophren".

Wolfgang Ehmke von der BI weist der niedersächsischen Umweltchefin einen Weg, bei dem Dilemma "jenseits von Recht und Gesetz politischen Spielraum zu nutzen": Warum nehme die Landesregierung nicht erneut eine Weisung aus Bonn in Kauf, unternehme dann nichts und lasse den Bundesrat über die Situation entscheiden? Reaktion vom Podium: keine. Zwischenruf eines Atomkraftgegners: "Wenn der Castor kommt, heißt Gerhard Schröder Ernst Albrecht."
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 6.7.1994

05.07.1994

50 Menschen und Reiter:innen demonstrieren am Nachmittag in Lüchow zu Pferd gegen Atommülltransporte nach Lüchow-Dannenberg. Hinter Transparenten "Mit Kondition gegen Castor" und "Wir stellen uns quer" reiten die Demonstranten durch die Kreisstadt. Auch die Pferde sind teilweise bemalt oder tragen Parolen wie etwa "Castor, fahr zur Hölle aber nicht zu uns" und "Pferde-Reiter gegen Castor-Geier".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 6.7.1994

06.07.1994

"Castor, bleib wo Du bist", "Wir haben Angst" oder "Wenn der Castor kommt, stellen wir uns quer!": Am 6. Juli nehmen die Inserate gegen den Atommüll-Transport in der "Elbe-Jeetzel-Zeitung" inzwischen mehr als eine Seite ein. Erneut werden Anschläge auf die Bahnstrecke verübt, Eisen und Bäume liegen auf den Schienen.
"Der Schiet wird immer blöder, erst der Albrecht, nun der Schröder"
Transparentspruch am 7. Juli 1994 in Hitzacker

07.07.1994

Für den 7. Juli hat der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) seine Teilnahme an einer Veranstaltung zum Castor-Streit im Kurhaus Hitzacker angekündigt. Am frühen Morgen werden auf allen Zufahrtsstraßen des Landkreises Lüchow-Dannenberg die verschiedensten Blockaden errichtet. In einer Erklärung wird Landes-Umweltministerin Monika Griefahn an ihr Versprechen erinnert, mit zu blockieren, wenn der Castor kommt. Auf der Veranstaltung in Hitzacker kündigt Schröder an, dass das Land durch "gründliche Prüfungen" der Philippsburger Unterlagen den Versuch unternehmen werde, den Transport zu verzögern. Andererseits bekennt er sich dazu, "im Zweifelsfall auf der Seite des Rechtsstaates zu stehen", auch wenn dieser die Atomindustrie schütze:

"Wir verweigern dem Atomstaat den Gehorsam", kündigten die Atomgegner dem Ministerpräsidenten an. Motto: "Wir stellen uns quer.""Wer sich querstellt, muß mit Konsequenzen rechnen, es gibt keine Zivilcourage zum Nulltarif", "Der Staat darf vor Einzelinteressen nicht zurückschrecken, seien sie moralisch noch so integer".

07.07.1994

In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung wirft der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) dem Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und den Energieversorgungsunternehmen vor, daß der Transport der Brennelemente angesichts ausreichender Möglichkeiten zur Zwischenlagerung in Philippsburg "völlig unnütz und überflüssig" sei. Er diene offenbar nur dazu, "Stimmung im Vorfeld der Bundestagswahl zu machen" und stelle damit eine "Provokation" dar.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

09.07.1994

Trotz erster Meldungen, dass sich der angekündigte Transporttermin wahrscheinlich nicht einhalten lässt, versammeln sich am 9. Juli 2.000 Menschen aus dem Wendland und dem ganzen Bundesgebiet vor den Gorlebener Atomanlagen und im Hüttendorf "Castornix". Über 30 Trecker versperren die Zufahrt zum Zwischenlager, weitere Blockaden, u.a. mit einem Belagerungsturm, werden errichtet. Die Polizei hält sich zurück.

"Kummt de Atomschiet in de Kiste, stellt wi den Traktor up de Piste."
Bäuerliche Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg

10.07.1994

Am folgenden Tag (10. Juli) wächst das "Castornix"-Hüttendorf auf 1.000 Menschen an, die Blockade der Zwischenlagerzufahrt dauert an.

10.07.1994

In Philippsburg zelten AKW-Gegner:innen auf dem Gleisanschluss des AKW. Sie befürchten, dass am folgenden Tag der erste Castor-Transport nach Gorleben rollen soll.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

11.07.1994

11. Juli: Der angekündigte Abfahrtstermin verstreicht, ohne dass sich der Castor in Bewegung setzt. Der Behälter wurde bis dahin noch nicht aus dem Inneren des AKW Philippsburg ausgeschleust.

11.07.1994

Laut eines Artikels im "Spiegel" vom 11. Juli wurden bereits 1,4 Milliarden Mark für den Bau des unterirdischen Atommüll-Endlagers Gorleben ausgegeben.

13.07.1994

Am 13. Juli räumt die Polizei das Hüttendorf "Castornix". Der Belagerungsturm wird zersägt, Straßenuntertunnelungen wieder zugeschüttet. Rund 800 Beamt*innen müssen etwa 400 Atomkraftgegner*innen wegtragen, die Polizei verhält sich dabei relativ zurückhaltend und lässt die Holzhütten stehen. Begründung für die Räumung ist der Erlass eines Versammlungsverbots, das im Umkreis von ca. vier Kilometern um die Atomanlagen Gorleben so lange gelten soll, bis der Atommülltransport aus dem AKW Philippsburg das Zwischenlager erreicht hat.

13.07.1994

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) appelliert vor dem Presseclub Hannover an die "vernünftigen" Manager der Stromwirtschaft, die Einlagerungspläne des Atommülls in Gorleben zu stoppen. Andernfalls sei mit einem endgültigen Scheitern eines bundesweiten Energiekonsenses zu rechnen.

Töpfer wies Schröders Vorwürfe unter Hinweis auf die seit 1991 gültige Genehmigung für die Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente in Gorleben zurück. Die Entscheidung und die Wahl des Termins für den Transport von Philippsburg nach Gorleben sei allein Sache der Stromwirtschaft. Die Nutzung des Zwischenlagers Gorleben sei auch kein Präjudiz für das am gleichen Ort geplante Endlager.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

15.07.1994

Am 15. Juli gibt der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) bekannt, dass der Castor-Transport nicht vor Ende der Sommerferien am 31. August rollen kann. In der Urlaubszeit stünden "nicht genügend Einsatzkräfte" der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zur Verfügung. Daraufhin wird das Versammlungsverbot aufgehoben. Noch am Abend kehren die ersten AtomkraftgegnerInnen wieder in das Hüttendorf "Castornix" zurück.

16.07.1994

Statt einer angekündigten Demonstration gegen das Versammlungsverbot ziehen am 16. Juli eintausend Menschen in einem "Triumphzug" zum Zwischenlager Gorleben. Kleinere Gruppen bauen Barrikaden, die Fahrbahn wird Richtung Gorleben und Gedelitz unterhöhlt. Vor dem Zwischenlager blockieren Traktoren, es steht dort ein Sofa, bruzzelndes Grillfleisch, mittendrin eine Nähmaschine, auf der grüne Wendland-Wimpel umsäumnt werden. 100 Aktivist:innen überwinden den ersten Schutzzaun zum Zwischenlager.

Wir harren aus, "wir bleiben hier bis zum Eintreffen des Castor, wir haben uns hier, häuslich niedergelassen", so Peter Bauhaus von der BI. Auf einmal lasse die Landesregierung die Castor-Protokolle prüfen. "Warum geht plötzlich etwas, was vorher unmöglich war?" In dieser Sache "haben wir beim Innenministerium nachgefragt", berichtet Bauhaus, "und erfahren: Man habe den Widerstand vor Ort unterschätzt". Den Politikern in Hannover wirft der Redner vor, ihr Nicht-Handeln sei in "Feigheit vor der Atomindustrie" begründet. "Deshalb muß die Initiative von uns ausgehen", forderte Bauhaus und ruft aus: "Die Zeit der Ruhe ist vorbei — und der Mut wächst."

Nach der Kundgebung findet ein Open-Air-Konzert mit Bands aus Hamburg, Stuttgart und Lüchow-Dannenberg statt. Am Hüttendorf wird weitergebaut.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 22.7.1994

19.07.1994

Am 19. Juli wird der mit neun abgebrannten Brennelementen beladene Castor-Behälter vom Typ "2a" aus dem Reaktor des AKW Philippsburg-2 ausgeschleust und auf den Spezial-Bahnwaggon verladen.

19.07.1994

Durch das Artikelgesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 19. Juli wird die "direkte Endlagerung" als gleichwertiger Entsorgungsweg neben der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen anerkannt.

19.07.1994

Das Bergamt Celle lässt am 19. Juli das Verbringen des beim Abteufen der Schächte Gorleben 1 und 2 anfallenden Salzes zur Salzhalde vorläufig bis zum 31.12.1995 im sogenannten Probebetrieb zu.

20.07.1994

Am 20. Juli muss die Polizei Bundesumweltminister Klaus Töpfer den Weg zu einer Veranstaltung in Scharnebeck freikämpfen.

20.07.1994

Rund 200 Atomkraftgegner:innen zerstören auf dem Bahnhof Dannenberg den Schienenstrang unter der Verladeanlage für die Castor-Behälter. Ein knappes Dutzend Polizisten beobachtet das Geschehen, sieht sich aber angesichts der "Übermacht" der Demonstrant:innen außerstande, deren Personalien festzustellen.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

21.07.1994

Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) bekräftigt, daß eine Zustimmung ihrer Behörde unabhängig von den formalen Prüfungen unwahrscheinlich sei, da der Atommüll-Transport nach Gorleben "völlig überflüssig" sei und eine "unnötige Strahlenbelastung" darstelle (Handelsblatt, 21. Juli 1994). Der Atommülltransport aus dem AKW Philippsburg-2 in das Zwischenlager Gorleben ist laut des AKW-Betreibers EnBW technisch nicht notwendig. Das Abklingbecken im AKW hätte noch Platz für weitere Brennelemente bis zum Jahre 2011.

21.07.1994

Am 21. Juli erzwingt Bundesumweltminister Klaus Töpfer per Weisung die Erteilung der 2. Teilerrichtungsgenemigung (TEG) für die Pilot-Konditionierungsanlage Gorleben vom niedersächsischen Umweltministerium unter Monika Griefahn. Töpfer drohte mit einer Klage beim Verfassungsgericht, falls die niedersächsische Landesregierung nicht bis zum 1. August seiner Weisung nachkomme. Mit der 2. TEG werden die maschinen-, verfahrens-, elektro- und leittechnischen Einrichtungen und deren vorbetriebliche Erprobung genehmigt.

Griefahn beugt sich dem "massiven Druck aus Bonn" und erteilte die Genehmigung. Sie verweigert aber den Sofortvollzug mit der Begründung, daß "damit den Bürgern das Recht zur gerichtlichen Überprüfung des Weiterbaues der PKA genommen werde". Die Landesregierung hält die PKA weiterhin für überflüssig, "weil es in Gorleben kein Endlager geben wird".

Quelle: Handelsblatt, 22. Juli 1994

21.07.1994

"200 Atomkraftgegner können unbehelligt Gleise zerstören", wundert sich die Hannoversche Allgemeine Zeitung in einer Gorleben-Reportage. "Zwölf Polizisten sehen tatenlos zu."
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

22.07.1994

Als "unnötige Provokation der niedersächsischen Bevölkerung" hat der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Horst-Udo Ahlers, den geplanten Atommülltransport von Philippsburg nach Gorleben bezeichnet. "Das Vorhaben der Bundesregierung ist insofern völlig unverständlich, als das Atomkraftwerk Philippsburg über genügend eigene Lagerkapazität verfügt", so der Gewerkschafter. Es sei klar, daß der Transport mit massiven Protestaktionen der betroffenen Bevölkerung verbunden sein werde. In dieser Situation sei es dann wieder mal die Polizei, "die den Puffer zwischen bundespolitischen Entscheidungen und Bürgerwillen bildet und den Kopf hinhalten muß".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 22.7.1994

25.07.1994

Unbekannte Täter schleudern zwei Molotow-cocktails auf Polizeiwagen am Zwischenlager. Eines der Autos wird beschädigt. Mit einer Zwille wird die Windschutzscheibe des Wagens eines Wachdienstmitarbeiters durchschossen. An der nach Grippel führenden Landesstraße fallen zwölf Birken einer nächtlichen Sägeaktion zum Opfer.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 29.7.1994

25.07.1994

Wegen der hohen Waldbrandgefahr beschließen die Bewohner*innen des Hüttendorfs "Castornix" am 25. / 26. Juli einen Umzug an die Elbe bei Pölitz, etwa 3 km nördlich von Gedelitz.

28.07.1994

Die niedersächsische SPD-Landesregierung könne auf rechtmäßigem Wege den von der Atomindustrie angekündigten ersten Castor-Transport nach Gorleben verhindern: über das Atomgesetz. Dies betont die atompolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Rebecca Harms, am Rande einer Fraktionssitzung in Gorleben. Die Landesregierung könne eine Anordnung gegen die geplante Einlagerung erlassen, weil es für einen solchen Transport ganz einfach keinen Bedarf gebe.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 29.7.1994

28.07.1994

Auf nahezu 100 000 DM belaufe sich allein bei der Brennelementlager Gorleben GmbH (BLG) der Schaden, den Atomkraftgegner am Wochenende in Gorleben angerichtet hätten: Heruntergerissene Zäune, beschmierte Wege und Gebäude, zerstörte Glasscheiben. Die BLG habe Anzeige erstattet. Von der BI fordert die BLG ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 29.7.1994

29.07.1994

Die von Atomkraftgegner:innen gegrabenen Unterhöhlungen der Straßen, die von Gorleben und Gedelitz zum Zwischenlager führen, sind inzwischen durch Absperrungen gesichert worden: amtlich durch die Polizei mit entsprechenden Schildern, aber auch seitens der Protestierer, mit Sperrband und dem Hinweis auf eine "U-Bahn-Baustelle" der "Freien Republik Wendland".
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 29.7.1994

29.07.1994

Das Land Niedersachsen muß dem Bund Ersatz für die Schäden leisten, die diesem durch den Stillstand der Arbeiten am Schacht 2 des Erkundungsbergwerks Gorleben vom 6.10.1990 bis 20.2.1991 entstanden sind. So entscheidet am 29. Juli das Landgericht Hannover. Die Zwangspause war durch den Einspruch eines Grundeigentümers entstanden, dem das Bergamt Celle aufschiebende Wirkung zugebilligt hatte. Für diese aufschiebende Wirkung gab es nach Feststellung des Gerichts jedoch keine rechtliche Grundlage. Über die Höhe der Ansprüche ist noch nicht entschieden worden. Sie wird vom Bund mit zehn Millionen Mark beziffert.
Quelle: FAZ, 30.7.1994

Ende Juli

Ende Juli ist noch offen, wann der Castor-Transport tatsächlich erfolgen wird. Aus dem niedersächsischen Innenministerium verlautet, dies werde nicht vor dem Ende der Sommerferien bzw. erst im September der Fall sein.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

Ende Juli

Bundesumweltminister Töpfer erwartet weitere Auseinandersetzungen mit der niedersächsischen Landesregierung, wenn Ende dieses Jahres mit der Rücklieferung von 5300 Kubikmetern hochradioaktiven Abfalls aus der französischen Wiederaufarbeitung begonnen wird, die in die Zwischenlager Ahaus und Gorleben gebracht werden sollen. Neue Konflikte und Verzögerungen seien ferner bei der Umrüstung der ehemaligen Schachtanlage Konrad zum Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall zu befürchten.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

August

02.08.1994

2. August: Bundesumweltminister Töpfer stellt Niedersachsens Umweltministerin Griefahn ein Ultimatum zur Bearbeitung der Papiere für den Castortransport aus dem AKW Philippsburg nach Gorleben "bis 15.00 Uhr".

03.08.1994

Rund 50 Bewohner:innen von Neu-"Castornix" und weitere Atomkraftgegner:innen bauen vor dem Kreishaus in Lüchow symbolisch zwei Hütten auf. "Sei doch mal ehrlich, Atomkraft ist gefährlich" oder "Castor-Transport wird gebannt, das Wendland ist im Widerstand" singen die Atomkraftgegner zum Getön ihrer Instrumente, die durch die Büroflure schallen. Nach halb-stündigem "Besuch" im Verwaltungsgebäude — einige spazieren vermutlich durch ein offenes Fenster und öffnen dann eine Tür — setzte sich dann ein Demonstrationszug in Richtung Innenstadt in Bewegung.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

03.08.1994

Der CDU-Bundestagskandidat Kurt-Dieter Grill fordert die Landeumweltministerin Monika Griefahn zum Rücktritt auf. Sie würde "Tarnen, Täuschen und Tricksen": Tarnen, weil die Umweltministerin "ihre Rechtsbruchpolitik in Sachen Kernenergie" auf der Gewißheit der Rechtsstaatlichkeit des Bundes aufbaue. Täuschen, weil Monika Griefahn die Menschen gegen den Castor aufhetze, aber heimlich Castor-Transporte mit hochradioaktivem Abfall mit der Energiewirtschaft schriftlich vereinbaren wolle. Tricksen, weil die Ministerin in Hoheneggelsen offensichtlich einer Sondermülldeponie am Bürger vorbei errichten lassen wolle — "in einem Stil, der ein weiterer Beleg für die Unfähigkeit rechtsstaatlichen Handeln ist", so Grill.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

04.08.1994

Am 4. und 5. August machen die "Gorleben-Frauen" eine Informationsreise vom AKW Philippsburg Richtung Gorleben. Auf zwei von vier denkbaren Transportstrecken machen die Frauen an 13 Bahnhöfen Station, machen in zahlreichen persönlichen Gesprächen vor Ort auf die Strahlengefährdung durch einen Castor aufmerksam und unterstreichen, wie überflüssig ein solcher Transport sei.
Ob in Hannover, Göttingen, Darmstadt, Mannheim oder Frankfurt, Karlsruhe, Bonn und Köln: Die Informationen über den geplanten Castor-Transport "haben die Leute schon erschüttert", sagt Edelgard Gräfer aus Sallahn. Sie war eine von zwölf hiesigen Gorleben-Frauen, die sich an zwei Tagen auf eine "Ochsentour" begehen hatten: Mit der Bahn reisten sie bis nach Philippsburg, von wo aus der Castor nach Gorleben kommen soll, und zurück.

In Philippsburg, wo der Castor nach wie vor transportbereit im Außenbereich des Atomkraftwerkes steht, bringen die Gorleben-Frauen in einem symbolischen Akt das Motto des Lüchow-Dannenberger Widerstandes zum Ausdruck: Sie legen sich quer. Der Zwischenstopp in Bonn wird für eine Pressekonferenz mit dem BUND genutzt.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

09.08.1994

Am 9. August gibt das niedersächsische Umweltministerium bekannt, dass es bei der Beladung des Castor-Behälters im Atomkraftwerk Philippsburg-2 zu einer "Pannenserie" gekommen sei.

Gleich zu Beginn der Beladung entdeckten Techniker etwa 180 Gramm Nickelspäne im Behälterschacht, die von der Nachbearbeitung der Nickel-Innenbeschichtung beim Hersteller stammt und nicht abgesaugt wurde.

Nachdem die Techniker den 120 Tonnen schweren Behälter im Brennelementebecken mit seiner heißen Fracht bestückt hatten, wollten sie den inneren der beiden Deckel aufsetzen. Doch dieser „Primärdeckel“, der bei richtigem Sitz ein Stück in den Schacht hineinragt, verkantete sich. Das Personal hob ihn wieder ab und entdeckte eine kaputte Elastomerdichtung. Die Wasserverdrängung des gut fünf Tonnen schweren Primärdeckels hatte eine so große Strömung erzeugt, daß die Dichtung herausgeschwemmt wurde. Man hätte zwar den Deckel nach der Herstellung acht- oder neunmal ausprobiert; doch immer im Trocknen, so Klaus Janberg, einem der Geschäftsführer sowohl der Gessellschaft für Nuklearservice als auch der für den Bau des Castor verantwortlichen Gesellschaft für Nuklearbehälter. Denn im Werk fehle ein Becken, um zehn Meter unter Wasser zu üben.

Nach dem Ersetzen der kaputten Dichtung unternahm das Bedienungspersonal den zweiten Versuch. Doch wieder verkantete der Deckel, diesmal so stark, daß er sich nicht mehr abheben ließ. Die Techniker hievten den beladenen Behälter daraufhin aus dem Becken und richteten den Deckel mit hydraulischen Werkzeugen aus. Da die Führungsbolzen aus Edelstahl verkratzt waren, tauschten sie sie gegen bronzene aus. Anschließend ging der Castor wieder zu Wasser. Jetzt gelang es, den Deckel zu lüpfen. Die Mannschaft zog die Brennstäbe wieder aus dem Behälter heraus, den sie daraufhin erneut aus dem Becken holte. Diesmal war nicht nur die Elastomerdichtung beschädigt. Deckel und Behälterkörper wiesen Reibspuren auf - allerdings nur an Stellen, die für die Dichtheit des Castor unerheblich sind. Um eine glatte Oberfläche wiederherzustellen, wurden die Kratzer einem Feinschliff unterzogen.

Erst mithilfe einer Hilfskonstruktion gelang es, den Primärdeckel im Brennelementebecken vorsichtig aufzusetzen. Als dann der Innenraum des Castor getrocknet werden sollte, fielen die Geräte zur Feuchte- und Druckmessung aus. Da Instrumente von gleichem Typ nicht zur Hand waren, benutzte die Mannschaft andere. Nachdem auch der zweite Feuchtemesser kaputtging, griff sie auf ein drittes Modell zurück. Die teilweise geringere Meßgenauigkeit der Ersatzgeräte spielte keine Rolle, da der Innenraum zuletzt erheblich trockener war als vorgeschrieben. Die Trocknung hatte allerdings viel länger gedauert als geplant: Die Bohrung im Deckel, durch die dem Inneren die Feuchte zu entziehen ist, erwies sich als zu klein.

"Sicherheitstechnische Defizite oder Lücken bestehen nicht", resümierte der TÜV Südwest, der die Beladung zusammen mit dem TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt und der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung überwacht hat.

Quelle: ZEIT, 2. Dezember 1994

13.08.1994

13. August: Da dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem das "Castornix"-Hüttendorf errichtet wurde, der Abriss der Bauten und Zwangsgelder in fünfstelliger Höhe angedroht werden, beginnen 50 Atomkraftgegner*innen mit dem Abbau des Dorfes.

15.08.1994

Die SPD hält für den Fall eines Wahlsiegs am Ausstieg aus der Atomenergie fest. "Die Nutzung der Atomenergie wird beendet, der Atommüll direkt endgelagert", heißt es in einer Erklärung zur Energiepolitik, die das SPD-Präsidium verabschiedet.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

16.08.1994

Bundesumweltminister Töpfer und der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) treffen sich zu einem Gespräch in Bonn, das jedoch hinsichtlich des Atommülltransports nach Gorleben keine Annäherung der Standpunkte erbrachte. Kurz darauf läßt der baden-württembergische Umweltminister Schäfer verlauten, daß er die seit 19.7. in Philippsburg in den Castor-Behältern bereitstehenden Brennelemente ins Lagerbecken zurückbringen lassen werde, falls sich der Transport weiter verzögere.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

17.08.1994

In einem Gespräch zwischen Bundesumweltminister Töpfer und Niedersachsens Ministerpräsident Schröder wird am 17. August deutlich, dass der Atommüll-Transport aus dem AKW Philippsburg wohl nicht mehr vor der Bundestagswahl am 16. Oktober nach Gorleben rollen wird.

19.08.1994

Mit klassischer Musik blockiert die Gruppe "Lebenslaute" am 19. August die Zufahrt zum Zwischenlager Gorleben. Mittags werden in einer Blitzaktion beide Tore mit Leitern überschritte und das Konzert findet etwa eine halbe Stunde "drinnen" und "draußen" statt.

20.08.1994

Am 20. August blockieren 20 Trecker die Dömitzer Brücke, eine der wichtigsten Zufahrtsstraßen zum Landkreis Lüchow-Dannenberg. Parallel startet in Gorleben eine "CastorNix-Karawane", die über die Atommülltransportwege bis zum Atomkraftwerk Philippsburg führen soll und über die Gefahren der Atommüll-Fuhre informiert.

20.08.1994

Das Verwaltungsgericht Braunschweig erklärte am 20. August die sogenannte "Endlagervorausleistungsverordnung" für nichtig. Diese auferlegt den AKW-Betreibern die Vorfinanzierung der Arbeiten an den geplanten Endlagern für radioaktive Abfälle. Nach Auffassung der Richter müssen die Kosten für die Endlager Gorleben und Schacht Konrad "getrennt ausgewiesen und nach der tatsächlichen späteren Nutzung für die Lagerung radioaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken bemessen werden". Zudem sei unsicher, ob die Endlager überhaupt in absehbarer Zeit in Betrieb gehen würden.
Quelle: taz, 20. August 1994

September

Gorleben als Atommüll-Zentrale

02.09.1994

Laut eines Berichts in der "Zeit" vom 2. September gibt es "zwei Gründe für die plötzliche Entschlossenheit der Energiewirtschaft, das Zwischenlager zu nutzen":

Seit dem Frühjahr ist die direkte Endlagerung gesetzlich möglich. Direkte Endlagerung, das heißt: Zwischenlager in Gorleben, Behandlung der Brennstäbe in der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) Gorleben, Endlagerung im Salz, möglichst auch in Gorleben. Außerdem müsse noch vor Ablauf des Jahres hochradioaktiver Abfall aus der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague zurückgenommen werden. Auch dieser Müll soll nach Gorleben.

03.09.1994

Vor dem Zwischenlager Gorleben demonstrieren über 2000 Atomkraftgegner, vor dem AKW Philippsburg etwa 150 Menschen gegen den geplanten Castor-Transport.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

06.09.1994

Am 6. September läuft das Flachseismik-Hauptprogramm im Rahmen der Erkundung des Salzbergstocks Gorleben an.

"Castor-HalleLuja"

10.09.1994

Beim "Castor-HalleLuja" feiern wendländische AKW-Gegner:innen zwischen dem 10. und 12. September mit Blockaden, Filmnacht, Disco und Ausstiegsdebatten auf der Straße vor dem Zwischenlager zehn Jahre erfolgreiche Behinderungspolitik.

Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

19.09.1994

Die Initiative von Baden-Württembergs Umweltminister Harald B. Schäfer (SPD), den bereits auf den Bahnwaggon verladenen Castorbehälter in Philippsburg wegen "illegaler Lagerung" wieder auspacken zu lassen, scheitert am 19. September an einer Weisung aus dem Bundesumweltministerium in Bonn.

23.09.1994

Am 23. September gibt die niedersächsische Umweltministerin Monika Greifahn bekannt, dass sie dem geplanten Atommülltransport aus dem AKW Philippsburg nach Gorleben die Zustimmung verweigern wird.

Oktober

10.10.1994

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) will das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad bei Salzgitter notfalls durch Weisung an die niedersächsische Landesregierung genehmigen lassen. Der Minister erklärte am 10. Oktober in Bonn, er habe seiner niedersächsischen Amtskollegin Monika Griefahn (SPD) den Entwurf für eine Genehmigung des Endlagers zugeleitet und ihr acht Wochen Frist für eine Stellungnahme eingeräumt. Wenn Niedersachsen dem nicht nachkomme, werde er seinen Entwurf bis zur "Erlaßreife" vervollständigen und den Bau des Endlagers per Bundesanweisung durchsetzen.
Quelle: taz, 12.10.1994

15.10.1994

Rund 15 Atomkraftgegner:innen richten sich auf der Waldfläche schräg gegenüber dem Gorlebener Zwischenlager ein, um unter anderem gegen die Einlagerung eines ersten Castors mit hochradioaktivem Atommüll zu protestieren. Sie waren von Pölitz, dem Protest-Dorf "Castornix", wieder nach Gorleben gezogen. Ein großes Kontaktzelt ist aufgebaut, einige Wohnwagen, Kleinzelte und Unterstände geben dem Areal erneut den Charakter eines Hütten- und Wagendorfes. Eine Entscheidung, wie lange man bleiben will, ist bei einer Besprechung am Sonnabend offengeblieben. Sehr wohl gibt es aber Überlegungen, am Zwischenlager sogar zu überwintern. Das Dorf soll weiterhin als Symbol des Widerstandes gegen die Atomanlagen gelten, sei aber auch, so einer der Bewohner, eine Art Wohn- und Lebensexperiment geworden.
Quelle: EJZ vom 17.10.1994

15.10.1994

Am 15. Oktober blockieren Schüler*innen aus Protest gegen den Castor-Transport mehrmals die Lüchower Innenstadt.

16.10.1994

Nach der Bundestagswahl am 16. Oktober übernimmt Angela Merkel die Leitung des Bundesumweltministeriums.

22.10.1994

Am 22. Oktober demonstrieren 200 Ärzt*innen, Mitglieder des IPPNW aus dem ganzen Bundesgebiet, in Gorleben.

26.10.1994

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) erteilt am 26. Oktober seiner niedersächsische Amtskollegin Monika Griefahn (SPD) die bundesaufsichtliche Weisung, binnen zwei Wochen der seit Juli umstrittenen Einlagerung von neun verbrauchten Brennelementen aus dem AKW Philippsburg im Zwischenlager Gorleben zuzustimmen. Töpfer hatte sich zuvor mit dem Bundeskabinett abgestimmt. Ein Sprecher des niedersächsischen Umweltministeriums kündigt an, daß die Weisung mit Ablauf der gesetzten Frist befolgt werde. Umweltministerin Griefahn und Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) halten jedoch an ihrem Standpunkt fest, daß die "Castor"-Transportbehälter unsicher seien und es im AKW Philippsburg noch ausreichend Lagermöglichkeiten gebe.
Quelle: Handelsblatt, 27.10.1994

26.10.1994

Am gleichen Tag (26.10.) statten die "Gorleben-Frauen" Umweltminister Töpfer in Bonn einen Besuch ab.

November

Per Brief wendet sich die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Sie bittet darum, dass er auf einer öffentlichen Veranstaltung im Wendland die Haltung der Landesregierung zur Inbetriebnahme des Castorlagers darlegt. Auch will die BI wissen, warum Schröder weiter für die Energiekonsensgespräche zur Verfügung stehe, obwohl er im Sommer für den Fall eines Castor-Transportes erklärt habe, er stünde für diese Gespräche nicht mehr bereit. "Wie wollen Sie glaubhaft einen immensen Polizeieinsatz zur Durchsetzung privatwirtschaftlicher Interessen verantworten — gegen den erklärten Willen einer Region und der Landesregierung selbst?", lautet eine weitere Frage.
Quelle: EJZ vom 11.11.1994

Die niedersächsische Landesregierung versucht, die Ausführung der von Bundesumweltminister Töpfer (CDU) erteilten Weisung zur Genehmigung des Transports erneut mit Auflagen zu verbinden. So sollte der Betreiber des Zwischenlagers verbindlich erklären, daß von der Einlagerung der Brennstäbe keine gesundheitliche Gefährdung ausgehe. Sie mußte sich aber am Ende darauf beschränken, diese Forderungen nur noch in einem Begleitbrief zu erheben.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

"das Wendland dichtgemacht"

05.11.1994

Die Castor-Gegner im Wendland proben den Ernstfall. Weit über 1.000 Atomkraftgegner:innen blockieren für einen Tag lang die vier wichtigsten Zufahrtsstraßen zum Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie die Bahnstrecke nach Dannenberg. Blockaden aus Möbeln, Strohballen sowie Sperren aus Traktoren sind im Norden, Süden und Westen errichtet worden: auf der B 4 in Uelzen, auf der B 248 in Lübbow, auf der B 216 bei Göhrde sowie auf der B 191 an der Dömitzer Brücke. Jeweils rund 200 Demonstrant:innen halten sich an den Blockadepunkten auf. Die Polizei spricht an allen Orten Auflösungsverfügungen aus, denen die Atomkraftgegner:innen nicht oder nur zögerlich nachkommen.

Am Castor-Verladebahnhof in Breese/Marsch versammeln sich rund 400 Gorleben-Gegner zu einer Abschlußkundgebung.

Die Sonnabenddemo habe gezeigt, daß der Widerstand gegen den "überflüssigen" Castor-Transport nicht erlahmt sei, so die BI. Ihre Forderung zur Töpfer-Weisung: Hannover soll sich verweigern; sachliche Gründe gebe es in Hülle und Fülle: Die BI: "Es wächst die Entschlossenheit, sich dem Castor in den Weg zu stellen. Im Ernstfall all rechnen wir mit weitaus massiveren Protesten, zumal dann bundesweit eine Mobilisierungswelle rollen wird. Wird der Castor nicht entladen, wird es im Wendland politisch unruhig bleiben."
Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag; Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 7.11.1994

09.11.1994

9. November: Niedersachsen stimmt den Atommüll-Transport aus dem AKW Philippsburg in das Zwischenlager Gorleben zu.

09.11.1994

Vor dem Zwischenlager in Gorleben brennen Baumstämme und Strohballen. Mehrmals kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen AKW-Gegner:innen und Polizist:innen.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

10.11.1994

Am 10. November kommt es erneut zu Blockaden: Nächtliche Barrikaden aus Baumstämmen und brennenden Strohballen machen viele Zufahrtsstraßen im Landkreis stundenlang unpassierbar. Die ersten Barrikaden werden von der Polzei um 1.45 Uhr auf der Landesstraße von Schmarsau nach Schrampe festgestellt, wo vier Strohballen und Nagelbretter auf die Fahrbahn gelegt worden waren. Ab 4 Uhr häufen sich dann die Alarmmeldungen. Blockiert sind die Bundesstraßen bei Schmessau, Zernien, bei Bergen, Tobringen und Waddeweitz sowie Landes- und Kreisstraßen bei Gusborn, Lichtenberg, Liepe, Künsche und Groß Breese. Als sich eine Streifenwagenbesatzung gegen 4 Uhr einer brennenden Straßensperre bei Waddeweitz nähert, wird sie von den flüchtenden Täter:innen mit Steinen beworfen und mit Leuchtspurmunition beschossen. Zwischen Gorleben und Gedelitz wird in einer Kurve kurz vor dem Zwischenlager ein etwa zehn Millimeter starkes Stahlseil in 80 cm Hohe quer Ober die Fahrbahn gespannt. Eine Bombendrohung wird dem Kreiskrankenhaus in Dannenberg um 4.20 Uhr übermittelt. Der Sprengkörper sei zwischen Splietau und Dannenberg abgelegt, teilt der Anrufer mit. Tatsächlich finden die Beamten in der Nähe von Gusborn an einer Barrikade einen mit Drähten versehenen Feuerlöscher, der sich als Bombenattrappe entpuppt.

"Nichts geht mehr" heißt es auch auf der Bahnstrecke Lüneburg—Dannenberg. Bei Wendisch Evern mußte ein Zug stoppen, weil Kiefern auf den Gleisen Lagen. Die Bahnlinie Uelzen—Dannenberg wurde bei Molzen von brennenden Strohballen ebenfalls blockiert.
Quelle: u.a. Elbe-Jeetzel Zeitung vom 11.11.94

11.11.1994

Am 11. November beginnen tägliche Mahnwachen in den großen Ortschaften des Landkreises Lüchow-Dannenberg.

12.11.1994

Auf einer Pressekonferenz des Bundesinnenministeriums wird am 12. November bekannt, dass die Absicherung des Castor-Transports aus dem AKW Philippsburg in das Zwischenlager Gorleben 15 Millionen DM kosten wird. Über 5.000 BeamtInnen von Polizei und Bundesgrenzschutz sollen allein im Wendland im Einsatz sein, an der Bahnstrecke von Philippsburg bis an die Landkreisgrenze von Lüchow-Dannenberg noch einmal 15.000. Es handelt sich dabei um den größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik.

14.11.1994

Durch Sabotageaktionen auf Oberleitungen der Deutschen Bahn zwischen Celle und Garßen bricht am 14. November der Zugverkehr rund um Hannover stundenlang zusammen. Unbekannte Täter hatten "U-förmig gebogene Eisen" über die Oberleitungen geworfen, so daß sich die Stromabnehmer der Lokomotiven in den Hindernissen verfingen und die Leitung an mehreren Stellen herunterrissen. Infolge der Anschläge haben 78 Züge zum Teil stundenlange Verspätungen. Zu den Anschlägen bekennt sich ein anonymes "K.Ollektiv Gorleben". Aufkleber werden gefunden, die auf einen Zusammenhang mit dem angekündigten Castor-Transport hinweisen.

17.11.1994

Am 17. November blockieren Autoreifen und zwei gefüllten Benzinkanistern eine Brücke bei Dannenberg. Zwei Autofahrer rammen das Hindernis, werden aber nicht verletzt. In Hannover demonstrieren Eltern mit ihren Kindern vor der Staatskanzlei gegen den Transport.

19.11.1994

Trotz des angekündigten Versammlungsverbots demonstrieren am 19. November über 2.000 Castor-Gegner*innen auf den Bahnschienen mit einer "Streckenbegehung" zwischen Pudripp und Dannenberg sowie das Gleis nach Lüneburg. Die Räte der Stadt und Samtgemeinde Dannenberg sprechen sich erneut gegen den Atommülltransport aus.

20.11.1994

Am 20. November erläßt die Bezirksregierung Lüneburg ein sechs Zeitungsseiten füllendes Versammlungsverbot für den Zeitraum bis zum Castor-Transport. Am gleichen Tag bringen DemonstrantInnen einen Zug durch Ziehen der Notbremse mehrere Male zum Stehen und blockieren das Gleis mit Baumstämmen. Insgesamt muß die Polizei an diesem Wochenende 23 Barrikaden aus Strohballen, Baumstämmen, Wellblechen und Kilometersteinen von den Gleisen entfernen. Vor dem AKW Philippsburg demonstrieren am 20. November etwa 120 Menschen.

Die Durchführung des Castor-Transports wird ab dem 22. November erwartet. Ein großes Polizeiaufgebot steht für die erwarteten Auseinandersetzungen mit Demonstrant*innen bereit. SPD und Bündnis 90/Grüne appellieren an Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU), die Weisung ihres Vorgängers Klaus Töpfer zumindest auszusetzen. Andernfalls - so der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller - würden die Weichen "auf Konfrontationskurs mit der Umweltpolitik gestellt". Das Umweltministerium weist diese Forderung zurück.

Quelle: Frankfurter Rundschau, 22.11.94

21.11.1994

Die Medien sollen Rechtsbrüche im Zusammenhang mit dem unmittelbar bevorstehenden Castor-Transport nach Gorleben nicht "verniedlichen", fordert Jürgen Willner, Leiter der Polizei im Regierungsbezirk Lüneburg, im Rahmen einer Pressekonferenz in Lüneburg. In den vergangenen Tagen habe es in Sachen Gorleben "zum Teil eklatante Rechtsverstöße" gegeben. Die Straftaten hätten eine Qualität erreicht, die eindeutig Menschenleben gefährde.

60 Sachbeschädigungen, 36 gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, zwölf gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr, acht Körperverletzungen, fünf Nötigungen, ein Sprengstoffdelikt, ein Schaden von über eine halbe Million DM: dies alles listet die Polizei in einem Überblick über Straftaten auf, die allein dieses Jahr im Zusammenhang mit Gorleben begangen wurden.
Quelle: EJZ vom 22.11.1994

"Gravierendes Regelungsdefizit": Castortransport wird abgesagt

21.11.1994

Am "Tag der Entscheidung", am 21. November, treffen sich tausende Menschen auf dem Marktplatz in Lüchow. Am Abend wird die Weisung des Bundesumweltministers an die niedersächsische Landesregierung zur Genehmigung des Transports durch eine vorläufige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg aufgehoben. Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage an, mit der sich im April zwei BewohnerInnen aus dem Raum Gorleben gegen die Einlagerung des Atommülls gewandt hatten. Aus einer nächtlichen Demonstration in Gorleben wird ein Freudenfest, über 3.000 Menschen feiern vor dem Zwischenlager die ganze Nacht lang ihren "Sieg".

21.11.1994

In Philippsburg räumt die Polizei ein Zeltlager der AKW-Gegener:innen ab.

Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

24.11.1994

In der Aussprache des Bundestags über eine Regierungserklärung bekräftigt Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) am 24. November, daß die Bundesregierung weiterhin auf einen "sinnvollen Energiemix" setze. Dazu gehöre die Möglichkeit, in Deutschland auch in Zukunft Atomkraftwerke auf dem "jeweils höchsten Sicherheitsstandard" zu bauen. Bundesumweltministerin Merkel befürwortet in ihrer Antrittsrede den baldigen Beginn neuer energiepolitischer Konsensgespräche. SPD und Grüne bringen einen Entschließungsantrag ein, der die Bundesregierung auffordert, die Bundesweisung an Niedersachsen zur Einlagerung der Brennstäbe in Gorleben zurückziehen. Der Antrag wurde mit 331 Stimmen der Koalitionsmehrheit gegen 292 Befürworter abgelehnt. Abgeordnete der Grünen tragen bei der Debatte demonstrativ T-Shirts mit den Aufschriften "Atomkraft - nein danke" und "Castor Alarm".
Quelle: FAZ, 25.11.1994

25.11.1994

Am 25. November reicht das Verwaltungsgericht Lüneburg die 25 Seiten umfassenden Begründung des Beschlusses, den Castortransport abzusagen, nach. Das Gericht beanstandet generell die 1988 erteilte Genehmigung für die Einlagerung von Castor-Behältern, weil sie Pannen, wie sie bei der Beladung des Behälters in Philippsburg aufgetreten seien, nicht berücksichtige. Dies sei ein "gravierendes Regelungsdefizit", da dadurch die Einlagerung eines Behälters in Gorleben möglich werde, der nicht den verbindlichen Handhabungs- und Prüfrichtlinien entsprechend beladen worden sei. Bundesumweltministerin Angela Merkel legt gegen die ergangene Entscheidung Beschwerde ein, mit der sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg befassen muß.
Quelle: FAZ, 23.11.1994

25.11.1994

"Nach Wyhl, Brokdorf und Wackersdorf ist nun Gorleben zum Symbol des Widerstands gegen die Kernkraftnutzung geworden", konstatiert das Handelsblatt.

Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

28.11.1994

Am 28. November berichtet "Der Spiegel" aus einem angeblichen "Strategiepapier" von Technikern und Stabsmitarbeitern der Energieversorgungsunternehmen (EVU) für ihre Konzernchefs, dass sich die EVU auf den Ausstieg aus der Atomenergie vorbereiten würden und die Bereitschaft signalisiert hätten, den umstrittenen Endlagerstandort Gorleben aufzugeben. Stattdessen solle die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle in dem geplanten Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle im Schacht Konrad bei Salzgitter ermöglicht werden. Die EVU seien überdies bereit, ein oder zwei Reaktoren wie Würgassen sofort abzuschalten. Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) Joachim Grawe und Pressesprecher des Bayernwerks, Erwin Haydn, weisen die Pläne zurück. Es gäbe diese Stratgie nicht.

Dezember

02.12.1994

In einem Artikel in der ZEIT wird der in Philippsburg geparkte Castorbehälter am 2. Dezember als "Deutschlands meistdiskutierter Abfalleimer" bezeichnet. Zudem wird die erste Rückführung von radioaktiven Abfälle aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague angekündigt: Die Fracht solle "in wenigen Wochen anrollen".

03.12.1994

Eine klare Mehrheit der Bundesbürger sieht nach Umfrageergebnissen des Meinungsforschungsinstituts "infas" in dem geplanten Castor-Transport nach Gorleben eine potentielle Gefährdung der Bevölkerung: 65 Prozent der Befragten halten den Transport hochradioaktiven Atommülls in Castor-Behältern für riskant. Tausend Bürger und Bürgerinnen sind im November vom renommierten Umfrageinstitut zu brisanten Schlagzeilenthemen befragt worden, unter anderem auch zum Brennpunktthema Atomenergie.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung

03.12.1994

Rund 3.000 Menschen protestieren in Salzgitter gegen das geplante Atommüllendlager Schacht Konrad. Im Demozug rollen fünfzig Traktoren mit.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

17.12.1994

Dreißig Atomkraftgegner:innen aus dem Münsterland besetzen das Gelände, das für die Erweiterung des Zwischenlagers Ahaus vorgesehen ist. Nachdem die Journalist:innen abgezogen sind, beenden Werkschutz und Polizei die Aktion gewaltsam. Am darauffolgenden Tag kommen Hundert Menschen zu einer Protestkundgebung.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

29.12.1994

Noch immer werden nukleare Abfälle von Schiffen der russischen Kriegsmarine einfach ins Meer gekippt. Dieses Eingeständnis enthält der Zwischenbericht, den eine Untersuchungskommission der russischen Regierung am 29.12. in Moskau veröffentlicht.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

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